6230 - Borstgrasrasen | Lebensraumtypen in RLP

6230 - Borstgrasrasen

Beschreibung:

Borstgrasrasen sind unverwechselbar. Es sind kurzrasige, heute meist kleinflächige Wiesen und Weiden der Mittelgebirge, in denen das dominante Borstgras dichte, starre Horste bildet. In den Niederungen kommen Borstgrasrasen nur selten vor. Sie gedeihen auf sauren oder durch Aushagerung versauerten Böden mit niedrigem Nährstoffgehalt. Der typische Borstgrasrasen der alpenfernen Mittelgebirge ist der Kreuzblumen-Borstgrasrasen (Polygalo-Nardetum) trockener Böden. Auf feuchten Standorten wachsen Borstgras-Torfbinsenrasen (Juncetum squarrosi). Der Knautien-Borstgrasrasen basenreicher, frischer Magerstandorte ist in Rheinland-Pfalz nur im Westerwald zu finden.

Im Sommer, zur Blütezeit der charakteristischen Pflanzenarten, bieten die artenreiche Borstgrasrasen und Arnikawiesen einen farbenfrohen Anblick. Ihre Entstehung verdanken sie in erster Linie einem extensiven Weidebetrieb, der das Borstgras begünstigt, da es vom Vieh verschmäht wird. Seltener waren sie das Ergebnis einer (unregelmäßigen) einschürigen Mahd, wodurch die mageren Böden noch stärker verarmten. Meist ist dieser Lebensraumtyp mit Bergwiesen und -heiden eng verzahnt. Das breite Artenspektrum wechselt je nach den örtlichen Gegebenheiten, wobei die Arten angrenzende geeignete Lebensräume mit nutzen.

Bedeutung:

Borstgrasrasen waren seit dem Mittelalter prägende Vegetation der Mittelgebirge in Rheinland-Pfalz. Ihr vegetationskundlicher und faunistischer Wert ist beträchtlich. Die artenreichen Ausbildungen sind prioritärer Lebensraum zahlreicher teils hoch gefährdeter Pflanzen- und Tierarten. Borstgrasrasen gehören sie zu den am stärksten gefährdeten Lebensraumtypen Mitteleuropas.

Die besondere kulturgeschichtliche Bedeutung der Borstgrasrasen beruht auf ihrer Entstehung durch eine historische Bewirtschaftungsform. Prägende Pflanzenarten wie die Arnika, deren Bestände enorm stark zurückgegangen sind, zählen zu den bedeutenden Arzneipflanzen. Das Wald-Läusekraut beispielsweise wurde früher zur Bekämpfung von Läusen eingesetzt. Diese Pflanzen sind auf ganz spezifische Nutzungsformen angewiesen. Ohne solche würden sie in absehbarer Zeit aus unserer Kulturlandschaft verschwinden.

Vegetation:

Polygalo-Nardetum (Kreuzblumen-Borstgrasrasen) 
Juncetum squarrosi (Borstgras-Torfbinsenrasen) 
Knautio-Nardetum (Knautien-Borstgrasrasen): gebietsspezifische Violion-Assoziation; nur im Westerwald (Rang der Ges. unklar)

Typische Pflanzenarten:

Borstgras (Nardus stricta)
Haar-Schwingel (Festuca filiformis)
Schafschwingel (Festuca ovina)
Sparrige Binse (Juncus squarrosus)
Arnika (Arnica montana)
Gewöhnliches Kreuzblümchen (Polygala vulgaris)
Dreizahn (Danthonia decumbens)
Feld-Hainsimse (Luzula campestris)
Blutwurz (Potentilla erecta)
Hunds-Veilchen (Viola canina)
Wald-Ehrenpreis (Veronica officinalis)
Kleines Habichtskraut (Hieracium pilosella)
Rundblättrige Glockenblume (Campanula rotundifolia)
Bärwurz (Meum athamanticum)
Geflecktes Johanniskraut (Hypericum maculatum)
Harzer Labkraut (Galium saxatile)
Berg-Platterbse (Lathyrus linifolius)
Heidenelke (Dianthus deltoides)
Weißzüngel (Pseudorchis albida)
Weiße Waldhyazinthe (Platanthera bifolia)
Wald-Läusekraut (Pedicularis sylvatica)
Wiesen-Leinblatt (Thesium pyrenaicum)
Gewöhnliches Katzenpfötchen (Antennaria dioica)
Gewöhnliches Ferkelkraut (Hypochaeris radicata)
Heidelbeere (Vaccinium myrtillus)
Flügelginster (Chamaespartium sagittale)
Keulen-Bärlapp (Lycopodium clavatum)
Alpen-Flachbärlapp (Diphasiastrum alpinum)

Bild 1

Arnika 

Bild 2

Borstgras 

Bild 3

Bärwurz 

Bild 4

Flügelginster 

Bild 5

Keulen-Bärlapp 

Bild 6

Sparrige Binse 

Bild 7

Wald-Läusekraut 

Typische Tierarten:

Vögel
Braunkehlchen (Saxicola rubetra) ->
Wiesenpieper (Anthus pratensis) ->
Raubwürger (Lanius excubitor)

Schmetterlinge
Skabiosen-Scheckenfalter (Euphydryas aurinia) ->
Kleines Wiesenvögelchen (Coenonympha pamphilus)
Geißklee-Bläuling (Plebeius argus)
Großer Feuerfalter (Lycaena dispar) ->
Großer Perlmutterfalter (Argynnis aglaja)

Heuschrecken
Warzenbeißer (Decticus verrucivorus)
Gefleckte Keulenschrecke (Myrmeleotettix maculatus)
Kurzflügelige Beißschrecke (Metrioptera brachyptera)
Weißrandiger Grashüpfer (Chorthippus albomarginatus)

Hautflügler
Biene (Andrena lapponica)

Bild 1

Braunkehlchen 

Bild 2

Geißklee-Bläuling 

Bild 3

Großer Feuerfalter 

Bild 4

Großer Perlmutterfalter 

Bild 5

Kleines Wiesenvögelchen 

Bild 6

Kurzflügelige Beißschrecke 

Bild 7

Raubwürger 

Bild 8

Skabiosen-Scheckenfalter 

Bild 9

Warzenbeisser 

Bild 10

Wiesenpieper 

Verbreitung:

Borstgrasrasen waren ehemals in Rheinland-Pfalz weit verbreitet. Heute sind die meisten Reste dieses Biotoptyps sehr kleinflächig und in ihrem Bestand infolge Nutzungsintensivierung oder -änderung, Brachfallen oder Aufforstung stark gefährdet. Nur noch sehr wenige Vorkommen sind floristisch reichhaltig und von typischer Ausprägung.
 
Schwerpunkte der aktuellen Verbreitung sind die höheren Lagen von Eifel und Westerwald sowie der Hunsrückkamm. Weitere Vorkommen verteilen sich über das gesamte Bundesland mit weiteren kleineren Schwerpunkten in der Westpfälzer Moorniederung und im Pfälzerwald.

Literatur:

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Pott, R. (1995): Die Pflanzengesellschaften Deutschlands. 2. Aufl. Verlag Eugen Ulmer. Stuttgart. 622 pp.

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Schwickerath, M. (1962): Die Arnikatrift und ihre Heilkraft. Natur und Landschaft 37(8): 142-144.

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Suck, R. (1999): Die natürlichen Waldgesellschaften des Schneifel-Hauptkammes (Westliche Hocheifel) und ihre Ersatzgesellschaften. Tuexenia 19: 13-53.

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Zenner, G.; Schmitt, L. (2000): Zwei bemerkenswerte Bärlappvorkommen in der Umgebung von Otzenhausen und Deuselbach. Dendrocopos 27(2): 245-248.

Stand: 27.06.2013