Steckbrief zum FFH-Gebiet
6212-303 - Nahetal zwischen Simmertal und Bad Kreuznach Karte
Größe[ha]:
5.068
Landkreise und kreisfreie Städte:
Alzey-Worms, Bad Kreuznach
Verbandsgemeinden und verbandsfreie Gemeinden:
Bad Kreuznach, Bad Münster am Stein-Ebernburg, Bad Sobernheim, Kirn-Land, Langenlonsheim, Meisenheim, Rüdesheim, Wöllstein
Gebietsbeschreibung:
Das nahezu einen Kilometer breite Nahetal der Sobernheimer Talweitung zwischen Martinstein/Simmertal und Schlossböckelheim geht flussabwärts bis Bad Kreuznach in das enge Nahe-Alsenz-Felsental über, den markantesten und beeindruckendsten Abschnitt des mittleren Nahetals.
Das Nahe-Alsenz-Felsental mit den tief eingeschnittenen, engen Talbereichen, den steilen Felswänden und der kleinräumig wechselnden landschaftlichen Vielfalt ist von überwältigender Schönheit. Der Rotenfels bei Bad Münster am Stein-Ebernburg ist eine über 200 Meter hohe und einen Kilometer lange senkrechte Felswand, die durch Kamine, Türme und Grate gegliedert ist. Er ist die bundesweit höchste freistehende Felswand außerhalb der Alpen.
Die Vegetation der Felsen wird von einem sehr vielfältigen Mosaik unterschiedlicher Felsgrusfluren, Trockenrasen und Trockengebüsche gebildet. Die trockenen und heißen Südhänge sind Refugien einer großen Anzahl von (sub)kontinentalen und (sub)mediterranen Arten, die sich hier seit der nacheiszeitlichen Warmzeit gehalten haben. Viele dieser Arten erreichen hier die West- bzw. die Nordgrenze ihrer Verbreitung und sind von ihren Hauptverbreitungsgebieten, den asiatischen Steppen oder dem Mediterranraum, völlig isoliert. Zu den kontinentalen Arten zählen unter anderem mehrere Federgrasarten (Stipa sp.), Steppen-Segge (Carex supina), Pferde-Sesel (Seseli hippomarathrum), Sand-Fingerkraut (Potentilla incana) und Zottige Fahnenwicke (Oxytropis pilosa). Der Felsenahorn (Acer monspessulanum) ist eine mediterrane Art. Der endemische Sponheimer Steinbrech (Saxifraga sponhemica), das bundesweit sehr seltene Holunder-Knabenkraut (Dactylorhiza sambucina), Küchenschelle (Pulsatilla vulgaris), Berg-Steinkraut (Alyssum montanum), Felsen-Gelbstern (Gagea saxatilis), Pfingst-Nelke (Dianthus gratianopolitanus), Kugel-Lauch (Allium sphaerocephalon), Ähriger Ehrenpreis (Pseudolysimachion spicatum) oder die auf Feldbeifuß schmarotzende Sand-Sommerwurz (Orobanche arenaria) sind nur ein Teil weiterer floristischer Besonderheiten.
Ähnlich den wärme- und trockenheitsliebenden Pflanzen kommen im Gebiet zahlreiche auf extreme Trockenstandorte oder Felsen spezialisierte Tierarten vor, darunter die Heuschreckenarten Rotflügelige Ödlandschrecke (Oedipoda germanica) und Westliche Steppen-Sattelschrecke (Ephippiger ephippiger), die Schmetterlinge Segelfalter (Iphiclides podalirius) und Berghexe (Chazara briseis) sowie die Smaragdeidechse (Lacerta bilineata), Schlingnatter (Coronella austriaca), Zippammer (Emberiza cia) und der Wanderfalke (Falco peregrinus). Darüber hinaus ist die hohe Bedeutung der Trockenrasen für mehrere Bockkäfer- und Prachtkäferarten (zum Beispiel Grauflügeliger Erdbock - Dorcadion fuliginator) belegt, die hier ebenfalls die Nord- bzw. Westgrenze ihrer Verbreitung erreichen.
Bei Neu-Bamberg kommen großflächig Sandginsterheiden vor, die besonders zur Blütezeit des Heidekrauts(Calluna vulgaris) im Herbst beeindruckend sind.
Im Bereich der Sobernheimer Talweitung sind die Hänge weniger steil und primäre Trockenbiotope seltener. Hier tragen magere Grünlandbiotope und ehemalige Rebflächen zur Sicherung von Lebensräumen für die thermophile Fauna und Flora bei. Am Braunenberg bei Simmertal zum Beispiel sind Streuobstbestände zusammen mit Halbtrockenrasen, Magerwiesen, intensiv genutztem Grünland und Strauchbeständen am Aufbau von Halboffenland-Biotopkomplexen an den Hängen der Kerbtäler beteiligt. Bei Odernheim am Glan sind vor allem auf den ehemaligen Weinbergsflächen mosaikartige Bestände aus Halbtrockenrasen und Weinbergsbrachen, Magerwiesen und Strauchbeständen unterschiedlicher Sukzessionsstadien ausgebildet.
Die dominierenden Waldformen im Gebiet sind Buchenwälder und Traubeneichen- und Eichen-Hainbuchenwälder. An weniger steilen, nach Süden geneigten Hängen stocken lichte Trockenwälder, in denen ebenfalls zahlreiche kontinentale und mediterrane Pflanzen- und Tierarten vorkommen. Die Bestände erinnern wegen ihres lichten und knorrigen Erscheinungsbildes an Wald- und Gebüschformationen im Mittelmeerraum. An schattigen Hängen und in Schluchten kommen edellaubholzreiche Schlucht- und Hangmischwälder in sehr guter Ausprägung hinzu.
Die zahlreichen Stollen der aufgegebenen Bergwerke an den Hängen sind bedeutende Überwinterungsquartiere für Fledermäuse.
Die Nahe weist in ihrem Verlauf typische Ufergehölze und einzelne flächige Auwälder sowie Kies-, Sand- und Schlämmbänke auf, in den breiteren Auenabschnitten stellenweise auch mageres Grünland. Sie ist bedeutendes Brutgewässer für Libellen. Die vom Aussterben bedrohte Würfelnatter (Natrix tesselata) hat im Gebiet wie auch an Mosel und Lahn ein weit vom mediterranen Verbreitungsgebiet isoliertes und stabiles Vorkommen.
Lebensraumtypen (Anhang I):
* = Prioritärer Lebensraumtyp
Arten (Anhang II):
Säugetiere
Bechsteinfledermaus (Myotis bechsteinii) | |
Großes Mausohr (Myotis myotis) |
Amphibien
Gelbbauchunke (Bombina variegata) |
Fische und Rundmäuler
Bachneunauge (Lampetra planeri) | |
Groppe (Cottus gobio) |
Käfer
Hirschkäfer (Lucanus cervus) |
Schmetterlinge
Haarstrangwurzeleule (Gortyna borelii) | |
Dunkler Wiesenknopf-Ameisenbläuling (Maculinea nausithous) | |
* | Spanische Flagge (Euplagia quadripunctaria) |
Weichtiere
Bachmuschel (Unio crassus) |
* = Prioritäre Art
Literatur:
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