a338 - Neuntöter (Lanius collurio) | VSG-Arten in RLP

Steckbrief zur Art A338 der Vogelschutz-Richtlinie

Neuntöter (Lanius collurio)

Status und Häufigkeit:

Anhang I Gefährdeter Durchzügler Rote Liste D (2015) Rote Liste RLP (2014) Erhaltungszustand
x - * V
Status RLP Bestand D Bestand RLP Bestandsentwicklung RLP
Regelmäßiger Brutvogel; verlässt das Brutgebiet im Winterhalbjahr; Durchzügler 91.000 – 160.000 Brutpaare 5.000 – 8.000 Brutpaare gleichbleibend

Kennzeichen:

Länge 17 cm. Einer der am weitesten verbreiteten und auffälligsten Würger unserer Region. Die Kombination von Grau an Scheitel, Nacken und Bürzel, schwarzer Gesichtsmaske, rotbraunem Mantel und schwarz-weißem Schwanz macht das Männchen unverwechselbar. Sehr wenige Vögel mit kleinem weißem Abzeichen an der Handschwingenbasis. Weibchen, Vögel im 1. Winter und Jungvögel oberseits matt braun, auf dem Kopf oft grauer und auf Mantel, Bürzel und Schwanz rötlichbraun, Körpergefieder mit variierendem Anteil feiner schuppenartiger Bänderung, bei Jungvögeln am ausgedehntesten. Brauntönung insgesamt ziemlich stark variierend, die am mattesten gefärbten Vögel erinnern an junge Rotkopfwürger. Einige (wahrscheinlich ältere) Weibchen mit männchenähnlichem Gefieder, aber unterseits mit Schuppenmuster und mit unauffälligem Schwanzmuster. Jungvögel weibchenähnlich, aber auf der ganzen Oberseite mit Schuppenmuster. Ruft meist steinschmätzerartig „tschäck“ oder „schäk-tschäk“ und rau „tschrrä“. Vielseitiger, gepresst sprudelnder Gesang mit vielen Imitationen von Kleinvogelgesängen und -rufen.

Lebensraum:

Der Neuntöter ist ein Brutvogel reich strukturierter, offener bis halb offener Landschaften in thermisch günstiger Lage. Dazu gehören z. B. Heckenlandschaften, Trocken- und Magerrasen, frühe Stadien von Sukzessionsflächen, Feldgehölze, Weinberge, Streuobstwiesen, Ödländer, Moore, verwilderte Gärten usw. Die Nester befinden sich meist in bis zum Boden Deckung bietenden Hecken oder Gebüschen.

Biologie und Ökologie:

Die ersten Neuntöter kehren ausnahmsweise schon Mitte April, zumeist Ende April bis Anfang Mai aus den Winterquartieren im südlichen Afrika nach Mitteleuropa zurück, wobei es sich bei den Erstankömmlingen meistens um Männchen handelt. Brutortstreue ist vorhanden. Der Legebeginn der 5 – 6 Eier erfolgt in der zweiten Mai- und zweiten Junidekade, meistens in der ersten Junidekade. Ersatzbruten werden noch im Juli gezeitigt, flügge Jungvögel daraus können noch gegen Ende August gefüttert werden. Nach der Brutzeit treten gelegentlich im weiteren Umfeld der Reviere Gruppen aus mehreren Familien auf. Der Neuntöter zieht dann in kleinen Trupps von 2 bis 7 (15) Exemplaren, rastet auf Koppeln und Weiden mit Sträuchern, auch in Obstbaumgelände oder sogar Hausgärten. Der Wegzug beginnt u. U. schon Ende Juli, in seltenen Ausnahmen werden Vögel noch im Oktober angetroffen. Nahrung: größtenteils Insekten, aber auch Wirbeltiere einschließlich Jungvögeln und kleinen Reptilien, ausnahmsweise Kleinsäuger; hortet Nahrung. Langstreckenzieher mit Hauptwintergebiet in Ost- und Südafrika von Uganda und Südkenia bis Südwest-Afrika und Ost-Kapprovinz. Wegzug in Südost-Richtung, Überquerung des östlichen Mittelmeers zwischen 20° und 29°E. Der Heimzug vollzieht sich in einem Schleifenzug, also noch weiter östlich über Äthiopien, Sinai und sogar Irak.

Verbreitung in Rheinland-Pfalz:

In 4 – 5 Unterarten in der borealen, gemäßigten und mediterranen Zone von Nordspanien und Westeuropa (inzwischen ohne Großbritannien) bis Kasachstan verbreitet, bei einer nördlichen Verbreitungsgrenze von bis zu 66°N in Finnland und 63°N in Russland. Das Areal der Nominatform umfasst Mitteleuropa vom Tiefland bis in montane, vereinzelt subalpine Bereiche. In Europa liegen die Schwerpunkte in Ost-Europa (Rumänien, Russland, Bulgarien, Ukraine) sowie Spanien und Kroatien.
 
In Deutschland liegt der Verbreitungsschwerpunkt in Mittelgebirgsregionen mit extensiver Wiesenbewirtschaftung und hohem Heckenanteil, in großen Mooren oder anderen sogenannten Brachflächen.
 
In Rheinland-Pfalz nahezu flächendeckend verbreitet mit Schwerpunkten in Westerwald, Nordpfalz und Pfälzerwald.

Gefährdungen:

  • Beeinträchtigung durch zunehmend atlantisch geprägtes Klima;
  • Lebensraumzerstörung oder -veränderung:
    • Ausräumung und Uniformierung der Agrarlandschaft, dabei insbesondere Beseitigung von Heckenmosaiken;
    • Erstaufforstung;
    • Umbruch von Grünland, Nutzungsaufgabe von Heide- und (trockengelegten) Moorflächen;
    • Landschaftsverbrauch und Versiegelung;
  • Abnahme der Nahrung oder ihrer Zugänglichkeit durch Eutrophierung, Intensivierungsmaßnahmen (u. a. Grünlandumbruch, Vergrößerung der Schläge, Bewirtschaftung bis unmittelbar an die Randstrukturen);
  • Häufige Mahden;
  • Rückgang der Weidewirtschaft;
  • Zerstörung der Strukturvielfalt;
  • Verlust von Magerrasen;
  • Direkte Verfolgung in Südeuropa und Nordafrika;
  • Anhaltende Dürre in der Sahelzone sowie Änderungen der landwirtschaftlichen Nutzung in den Durchzugs- und Überwinterungsgebieten einschließlich eines dramatisch erhöhten Biozideinsatzes ebendort.

Empfehlungen zum Schutz und zur Förderung der Art:

  • Extensivierung der Grünlandnutzung, Förderung extensiver Weidewirtschaft;
  • Erhalt und Neuanlage größerer, kommunizierender Heckenstreifen im Kulturland aus standortgemäßen Arten sowie natürlicher Waldsäume;
  • Verbesserung des Nahrungsangebots: Schutz und Förderung reich strukturierter, artenreicher Feldfluren mit Feldrainen, Ruderal-, Staudenfluren und Brachen sowie Hecken und insbesondere offener und magerer Wiesen;
  • Reduzierung des Erholungsdruckes und Vermeidung von Störungen in den Bruthabitaten.

Literatur:

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Stand: 17.02.2016