a336 - Beutelmeise (Remiz pendulinus) | VSG-Arten in RLP

Steckbrief zur Art A336 der Vogelschutz-Richtlinie

Beutelmeise (Remiz pendulinus)

Status und Häufigkeit:

Anhang I Gefährdeter Durchzügler Rote Liste D Rote Liste RLP Erhaltungszustand
- x * 1
Status RLP Bestand D Bestand RLP Bestandsentwicklung RLP
Regelmäßiger Brutvogel; verlässt das Brutgebiet im Winterhalbjahr; Durchzügler 3.200 - 5.500 Brutpaare ca. 5 – 10 Brutpaare aktuell stark abnehmend

Kennzeichen:

Länge 11 cm. Ein sehr kleiner meisenähnlicher Vogel der Ufer- und Feuchtgebiete; leicht an seiner schwarzen Gesichtsmaske und der hell grauweißen Färbung von Scheitel und Nacken zu erkennen. Lebt versteckt, verrät sich meist zuerst durch den hohen, dünnen, etwas klagenden Ruf. Nahrungssuche in Bäumen (besonders Weiden) und im Röhricht, liest Insekten von der Vegetation ab oder zerpflückt Samenstände; verhält sich wie eine Meise – rastlos, akrobatisch, hängt oft mit dem Bauch nach oben an Zweigen oder Schilfhalmen. Die ziemlich kraftlos wirkende Flugweise erinnert etwas an Blaumeise, erscheint jedoch noch leichter. Jungvögel ganz anders als Altvögel, wie eine andere Art, ohne schwarze Gesichtsmaske und ohne Rostbraun auf dem Mantel, oberseits gräulichbraun, unterseits gelblichweiß. Verwechslung denkbar mit Zweigsängern oder Fliegenschnäppern (besonders mit weiblichem/juvenilem Zwergschnäpper), aber in Gestalt (rundlich, rundflüglig, kräftiger spitzer Schnabel) und Verhalten eher wie eine Meise. Beim Weibchen schwarze Gesichtsmaske kleiner (reicht nicht bis auf die Stirn), Scheitel und Nacken eher grau und Mantel matter gefärbt als beim Männchen mit reduzierter kastanienbrauner Brustfleckung. Häufig wird man zuerst durch die Rufe auf die Art aufmerksam – dünn, klagend, aber recht weittragend „tsssss-siüu“; andere Rufe in der Tonhöhe ähnlich „tssieüliü“, „tssüli“, „tssrrie“ und „sss-lü-Iü-Iü“; außerdem weich summende Rufe wie „tsss“. Gesang eine langsame, unterdrückt klingende Folge von Rufen mit einigen Variationen.

Lebensraum:

Sumpfgebiete und Uferdickicht mit Weiden, Erlen und Pappeln, besonders mit Rohrkolbenbeständen; auch in ausgedehnten Schilfbeständen (vor allem einige östliche Populationen); gelegentlich in recht trockenen Lebensräumen, weitab vom Wasser. Außerhalb der Brutzeit halten sich auch Vögel westlicher Populationen in ausgedehnten Reinbeständen von Schilf auf. Auf dem Zuge aber auch in Maisfeldern usw. zu beobachten.

Biologie und Ökologie:

Baut ein sehr kunstvolles, hängendes Beutelnest mit Eingangsröhre (aus verfilzter Pflanzenwolle und Tierhaaren) an äußere Zweige von Bäumen (vor allem Weide), gelegentlich auch im Schilf. Die Beutelmeise ist Kurz- bis Mittelstreckenzieher mit Wintergebieten in Frankreich und Spanien. Sie kehrt ab der zweiten Märzhälfte an ihre Brutplätze zurück, brütet ab Mai und verlässt die Brutgebiete ab August. Ein Teil der Brutvögel trifft bereits verpaart im Brutgebiet ein. Die Nistplatzwahl erfolgt dann durch beide Partner. Unverpaarte Männchen bauen Nester bis zum Stadium eines Henkelkorbes und singen intensiv, um ein Weibchen anzulocken. Trifft keines ein, wird das halbfertige Nest nach etwa 14 Tagen verlassen und an einer anderen Stelle mit dem Bau eines neuen Nestes begonnen. Ab Ende Juni erlischt der Nestbautrieb. Während der Nestbauphase sind Beutelmeisen sehr auffällig durch ständiges Rufen und intensives Singen am Nest. Beutelmeisen bauen ihre Nester bevorzugt in Bäume mit herabhängenden Zweigen wie Baumweiden, besonders Silberweiden, Birken, Pappeln, Erlen u.ä. Derselbe Nistbaum wird oft über Jahre hinweg benutzt; vorjährige, noch hängende Nester oder deren Reste haben eine Signalwirkung auf brutwillige Beutelmeisen. Auch Attrappen wie Wattebeutel oder alte Socken üben ebenso wie Kunstnester einen Anreiz zum Nestbau aus. Der Nestbau, zumeist aus Samenwolle von Schilf und Rohrkolben, bei den späteren Nestern mit der Wolle vom Weiden- und Pappelsamen, beginnt selten Ende März, zumeist ab Anfang April. Legebeginn: Ende April bis Mitte Mai. Die Gelegegröße beträgt 1 – 8 und durchschnittlich 4 Eier. Die Brutdauer beträgt 13 – 14 Tage. Die Beutelmeise hat ein kompliziertes Brutverhalten. Nach dem Legen übernimmt in der Regel das Weibchen das Brutgeschäft und verjagt das Männchen, das an einer weiteren Stelle, oft weit vom ersten Nest entfernt, mit dem Bau eines weiteren Nestes beginnt und versucht, ein neues Weibchen anzulocken. Manchmal werden die Erstgelege vom Weibchen verlassen und entweder ganz aufgegeben oder das Männchen übernimmt das Brutgeschäft allein. Die Schlüpftermine in frühen Nestern liegen ab Mitte Mai. Durchschnittliche Nestlingszeit von 22 Tagen. Die ausgeflogenen Jungen werden von dem Elternteil, der sie ausgebrütet hat, noch etwa 8 – 18 Tage geführt. Es finden 1 – 2 Jahresbruten statt. Nahrung: Größtenteils animalisch, zumeist Blattläuse, Weidenschaumzikaden, kleine Raupen usw., selten wohl Samen.

Verbreitung in Rheinland-Pfalz:

Von Mitteleuropa bis Ostchina, die Westgrenze im Bereich des Rheins. In Deutschland seltener Brutvogel, lokal auch häufiger; ursprünglich nur im Osten, breitete sich bis Anfang der 1990er Jahre nach Westen aus; derzeit wieder auf dem Rückzug. In Rheinland-Pfalz größtenteils auf das Rhein- und Nahetal und die Trierer Moseltalweitung konzentriert, besonders an den Altrheinen. Einzelne Vorkommen in mehreren Landesteilen; 5 Unterarten.

Gefährdungen:

  • Zerstörung des Lebensraumes, besonders von alten Silberweiden;
  • Erhöhter Erholungsdruck in den Auen (Bootsfahrer, Angler usw.).

Empfehlungen zum Schutz und zur Förderung der Art:

  • Erhaltung ausgedehnter Röhrichte mit einzelnen Weiden zur Nestanlage;
  • Vermeidung von Störungen zur Brutzeit durch Freizeitbetrieb (Lagern unter den Brutbäumen);
  • Schutz von neu entstandenen Verlandungsbereichen an Kiesseen usw.

Literatur:

Bauer, H.-G. & P. Berthold (1996): Die Brutvögel Mitteleuropas – Bestand und Gefährdung. – Aula-Verlag, Wiesbaden.

Bauer, H.-G., Berthold, P., Boye, P., Knief, W., Südbeck, P. & K. Witt (2002): Rote Liste der Brutvögel Deutschlands (3. überarb. Fassung, 8.5.2002). – Berichte zum Vogelschutz 39: 13-60, Nürnberg.

Beaman, M. & S. Madge (1998): Handbuch der Vogelbestimmung: Europa und Westpalaearktis. – Ulmer Verlag, Stuttgart.

Bezzel, E. (1993): Kompendium der Vögel Mitteleuropas – Passeres. – Aula-Verlag, Wies­baden.

Bezzel, E. (1995): BLV-Handbuch Vögel. – BLV, München.

Braun, M., Kunz, A. & L. Simon (im Druck): Rote Liste der Vögel in Rheinland-Pfalz.

Dietzen, C. & E. Henß (2004): Brutzeitbeobachtungen am Eich-Gimbsheimer Altrhein, Landkreis Alzey-Worms, Rheinland-Pfalz, im Frühjahr und Sommer 2003. – Fauna Flora Rheinland-Pfalz 10: 397-414.

Flade, M. (1994): Die Brutvogelgemeinschaften Mittel- und Norddeutschlands – Grundlagen für den Gebrauch vogelkundlicher Daten in der Landschaftsplanung. – IHW, Eching.

Flade, M., Franz, D. & A. Helbig (1986): Die Ausbreitung der Beutelmeise (Remiz pendulinus) an ihrer nordwestlichen Verbreitungsgrenze bis 1985. – Journal für Ornithologie 127: 261-287.

Franz, D. & N. Theiss (1985): Brutbiologie und Bestandsentwicklung einer farbberingten Population der Beutelmeise. – Anzeiger der ornithologischen Gesellschaft Bayern 24: 67-74; 26: 115-128.

Hölzinger, J. (1997): Die Vögel Baden-Württembergs, Singvögel 2.  – Ulmer Verlag, Stuttgart.

Kunz, A. & C. Dietzen (2002): Die Vögel in Rheinland-Pfalz – eine aktuelle Artenliste (Stand 01.12.2002). – Fauna Flora Rheinland-Pfalz, Beiheft 28: 207-221, Landau.

Kunz, A. & L. Simon (1987): Die Vögel in Rheinland-Pfalz – Eine Übersicht. – Naturschutz und Ornithologie in Rheinland-Pfalz 4, 3: 353-657, Landau.

Niehuis, M. (2002): Die Vögel in Rheinland-Pfalz – Eine Übersicht. – Naturschutz und Ornithologie in Rheinland-Pfalz 4, 3: 353-657, Landau.

Staatliche Vogelschutzwarte für Hessen, Rheinland-Pfalz und Saarland (2002): Artensteckbriefe zu den Zielarten der Vogelschutzrichtlinie. –  Frankfurt/M.

Stand: nicht vorhanden