a234 - Grauspecht (Picus canus) | VSG-Arten in RLP

Steckbrief zur Art A234 der Vogelschutz-Richtlinie

Grauspecht (Picus canus)

Status und Häufigkeit:

Anhang I Gefährdeter Durchzügler Rote Liste D (2015) Rote Liste RLP (2014) Erhaltungszustand
x - 2 V
Status RLP Bestand D Bestand RLP Bestandsentwicklung RLP
Regelmäßiger Brutvogel; Jahresvogel 10.500 – 15.500 Brutpaare 700 – 1.300 Brutpaare nach Bestandshoch Mitte der 1990er Jahre wieder deutlich abnehmend

Kennzeichen:

Länge 25 – 26 cm. Dieser mittelgroße Erdspecht ist etwas kleiner und leichter gebaut sowie langschwänziger als der Grünspecht. Von typischen Grünspechten leicht zu unterscheiden durch kennzeichnend grauen Kopf mit Rot auf den Vorderscheitel beschränkt (Männchen) oder völlig fehlend (Weibchen). Schwarz am Kopf viel weniger ausgedehnt, lediglich schmaler Zügel- und Wangenstreif (verstärken graues Aussehen des Kopfes im Profil), die dunklen Augen sorgen für einen vom Grünspecht deutlich verschiedenen Gesichtsausdruck. Weibchen ohne Rot am Kopf, mit schmalerem Wangenstreif und etwas schwarzer Strichelung am Vorderscheitel. Jungvögel sehr ähnlich Weibchen, aber etwas matter gefärbt und meist an den Flanken etwas gebändert. Juvenile Männchen bereits mit rotem Scheitelabzeichen, jedoch kleiner als bei adulten Männchen. Im Flug von hinten ziemlich ähnlich wie Grünspecht, Bürzel aber matter gelbgrün, weniger goldgelb, und wirkt insgesamt schlanker und langschwänziger. Flugweise etwas schneller und weniger schwerfällig als beim Grünspecht. Scheu und argwöhnisch; im späten Frühjahr und Sommer oft sehr zurückgezogen. Bleibt eher in der Deckung, Nahrungssuche seltener offen auf dem Boden als beim Grünspecht.

Reviergesang laut, weittragend, langsam und wohltönend „klüklü-klü-klü-klü“, „kü kö-kö“, ähnlich dem Lachen des Grünspechts, aber melodischer und schwermütiger wirkend, da chromatisch in der Tonhöhe abfallend, zum Ende hin mit längeren Silbenabständen (scheint daher zu „ersterben“). Ohne den lauthals lachenden Klangeindruck der Grünspechtstimme. Bei Beunruhigung kurz, scharf „kicko“ und wiederholt „kjackjack-jackjack“; beides ähnlich entsprechenden Grünspechtrufen. Trommelt lauter und öfter als Grünspecht, die raschen Wirbel dauern bis zu 2 Sekunden.

Lebensraum:

Der Grauspecht zählt zu den Leitarten der Berg-Buchenwälder, Hartholz-Auenwälder und Eichen-Hainbuchen-Wälder (Flade 1994). Er benötigt ausgedehnte, grenzlinienreiche Laubwälder (in Mitteleuropa bevorzugt Rotbuche als Höhlenbaum) oder Auwälder; ferner Streuobstbestände, Gartenstädte, Parkanlagen, in höheren Lagen auch Nadelwälder. Wichtig sind Altholzbestände mit Brut- und Schlafbäumen und Strukturreichtum sowie niedrigwüchsige Flächen zur Nahrungssuche am Boden, aber auch lichte Strukturen und Waldwiesen.

Biologie und Ökologie:

Die Trommel- und Rufaktivität beginnt ab Februar. Besonders intensiv ist sie vor der Höhlenwahl bzw. vor Baubeginn und wird danach geringer oder hört ganz auf bis zum Juli, wenn die Jungen geführt werden. Die Rufreihen des Grauspechts sind das ganze Jahr über verstreut zu hören, am wenigsten jedoch im November und Dezember. Der Höhlenbau bzw. -ausbau, an dem sich beide Partner beteiligen, beginnt meist ab April (etwas später als beim Grünspecht), wobei ein Neubau 9 Tage bis 3 Wochen dauern kann. Legebeginn: frühestens Ende April, meist ab Anfang, oft auch noch Ende Mai/Anfang Juni. Gelegegröße: 7 – 9, selten nur 4 – 6 Eier, die Brutzeit beträgt 14 – 15 Tage, die Nest­lingszeit 23 – 25, in Einzelfällen 27 Tage. Flügge Vögel sind ab Mitte Juni, häufiger ab Ende Juni zu erwarten und werden bis zu 4 Wochen von den Altvögeln geführt. Die Nahrung besteht überwiegend aus Ameisen, daneben andere Insekten und Beeren. Anatomische Unterschiede zwischen dem Grünspecht und dieser Art, vor allem die kürzere Zunge des Grauspechts, weisen aber auf eine geringere Nahrungsspezialisierung des Grauspechts hin. Im Winter auch an Futterplätzen. Standvogel und Teilzieher. Im Winter oft Abwanderungen in günstigere Gebiete, dann auch häufiger innerorts an rauborkigen Bäumen; gebietsweise nomadisierend, vor allem in Asien, zuweilen in Fennoskandien. In Mitteleuropa sind Strichbewegungen von 21 km nachgewiesen.

Verbreitung in Rheinland-Pfalz:

In 9 Unterarten in einem schmalen Band von Westfrankreich über Mitteleuropa und Teile Skandinaviens nach Spanien bis zum Pazifik verbreitet, in Ostrussland nach Süden bis Nord-Mongolei und Nordost-Indien, ferner Südost-Asien. Die Nominatform brütet in Europa weitgehend in Mittelgebirgslage, im Balkangebiet z. T. auch höher, mit Schwerpunkten in Rumänien, Bulgarien, Russland und Deutschland. Die Art fehlt weitgehend im Mittelmeerraum und in Mitteleuropa in den Niederlanden und Teilen Nord- und Ostdeutschlands. In Rheinland-Pfalz ist der Grauspecht flächendeckend verbreitet mit deutlichem Schwerpunkt in den Tallagen und in Mittelgebirgen mit hohem Laubwaldanteil.

Gefährdungen:

Lebensraumverlust durch:

  • Langfristig nachwirkende Habitatveränderungen infolge früherer Umwandlung von reich strukturierten, alten Laub- und Mischwaldbeständen in nadelbaumdominierte Altersklassenwälder mit kurzen Umtriebszeiten (Entnahme von Überhältern und Höhlenbäumen, Umwandlung von Mittel- in Hochwaldbetrieb).
  • Verlust alter Obstbestände durch Intensivkulturen, Überbauung oder Nutzungsaufgabe.
  • Verlust der Auwälder durch Flussausbau und Begradigung, Grundwasserabsenkung, forstliche Intensivnutzung.
  • Rückgang des Nahrungsangebots, z. B. der Ameisen, durch Eutrophierung der Landschaft;
  • Natürliche Ursachen wie Kältewinter (Einfluss gering); zuweilen wird auch interspezifische Konkurrenz diskutiert (Grünspecht, Star, Schwarzspecht).

Empfehlungen zum Schutz und zur Förderung der Art:

  • Erhaltung eines Netzwerks alter, reich strukturierter Laubwälder auf großer Fläche, d.h. weitgehender Verzicht auf großflächige, starke Verjüngungshiebe und Förderung einer naturnahen forstlichen Nutzung mit Anstreben eines möglichst hohen Erntealters und Schonung von Höhlenbäumen.
  • Erhalt der Auwälder mit naturnaher Baumartenzusammensetzung.
  • Reduktion des Düngemitteleintrags sowie Förderung und Erhaltung extensiv genutzter Wiesenlandschaften an Waldrändern und von Waldwiesen zur Steigerung des Nahrungsangebots.

Literatur:

Bauer, H.-G. & P. Berthold (1996): Die Brutvögel Mitteleuropas – Bestand und Gefährdung. – Aula-Verlag, Wiesbaden.

Bauer, H.-G., Berthold, P., Boye, P., Knief, W., Südbeck, P. & K. Witt (2002): Rote Liste der Brutvögel Deutschlands (3. überarb. Fassung, 8.5.2002). – Berichte zum Vogelschutz 39: 13-60, Nürnberg.

Beaman, M. & S. Madge (1998): Handbuch der Vogelbestimmung: Europa und Westpalaearktis. – Ulmer Verlag, Stuttgart.

Bezzel, E. (1985): Kompendium der Vögel Mitteleuropas – Nonpasseriformes. – Aula-Verlag, Wiesbaden.

Bezzel, E. (1995): BLV-Handbuch Vögel. – BLV, München.

Blume, D. (1961): Über die Lebensweise einiger Spechtarten. – J. Ornithol. 102, Sonderheft: 1-115.

Blume, D. (1974): Hinweise zur Ermittlung der Sied­lungsdichte bei Spechten. – Luscinia 42: 143.

Blume, D. (1993): Die Bedeutung von Alt- und Totholz für unsere Spechte. – Beih. Veröff. Naturschutz Landschaftspflege Bad.-Württ. 67: 157-162.

Blume, D. (1996): Schwarzspecht, Grauspecht, Grünspecht – Dryocopus martius, Picus canus, Picus viridis –. – 5.  überarb. Aufl., Magdeburg; Heidel­berg.

Blume, D. & G. Jung (1959): Beobachtungen am Grauspecht (Picus canus) im hessischen Hinterland. – Vogelwelt 80: 65-74.

Blume, D. & K. Ogasawara (1980): Zur Brutbiologie des Grauspechts (Picus canus). – Ornithol. Mitt. 32: 209-211.

Braun, M., Kunz, A. & L. Simon (im Druck): Rote Liste der Vögel in Rheinland-Pfalz.

Flade, M. (1994): Die Brutvogelgemeinschaften Mittel- und Norddeutschlands – Grundlagen für den Gebrauch vogelkundlicher Daten in der Landschaftsplanung. – IHW, Eching.

Glutz v. Blotzheim, U. N. & K. M. Bauer (1980): Handbuch der Vögel Mitteleuropas, Bd. 9. – Aula-Verlag, Wiesbaden.

Hand, R. & K.-H. Heyne (1984): Vogelfauna des Regierungsbezirkes Trier. Faunistische und ökologische Grundlagenstudien sowie Empfehlungen für Schutzmaßnahmen. – Bad Dürkheim.

Kunz, A. & C. Dietzen (2002): Die Vögel in Rheinland-Pfalz – eine aktuelle Artenliste (Stand 01.12.2002). – Fauna Flora Rheinland-Pfalz, Beiheft 28: 207-221, Landau.

Kunz, A. & L. Simon (1987): Die Vögel in Rheinland-Pfalz – Eine Übersicht. – Naturschutz und Ornithologie in Rheinland-Pfalz 4, 3: 353-657, Landau.

Staatliche Vogelschutzwarte für Hessen, Rheinland-Pfalz und Saarland (2002): Artensteckbriefe zu den Zielarten der Vogelschutzrichtlinie. – Frankfurt/Main.

Stand: 17.02.2016