a229 - Eisvogel (Alcedo atthis) | VSG-Arten in RLP

Steckbrief zur Art A229 der Vogelschutz-Richtlinie

Eisvogel (Alcedo atthis)

Status und Häufigkeit:

Anhang I Gefährdeter Durchzügler Rote Liste D (2015) Rote Liste RLP (2014) Erhaltungszustand
x - * V
Status RLP Bestand D Bestand RLP Bestandsentwicklung RLP
Brutvogel; Durchzügler, Wintergast 9.000 – 14.500 Brutpaare 200 – 800 Brutpaare stark schwankend

Kennzeichen:

Länge 16 – 17 cm. Sitzt häufig auf einer Warte über dem Wasser (oft sehr niedrig) und mustert aufmerksam die Wasseroberfläche. Schneller, direkter Flug knapp über dem Wasser (mit kurzen Gleitphasen), oft nur als blauer Pfeil zu sehen (Mantel bis Schwanz intensiv glänzend blau). Oft erst durch den sehr typischen hellen und durchdringenden Ruf zu entdecken. Unterschnabel des Weibchens an der Basis rot. Jungvögel sehr ähnlich Altvögeln, Oberseite jedoch matter und mehr grün gefärbt, das Orange-Kastanienbraun der Unterseite ist manchmal grau getönt; Schnabel schwarz mit weißlicher Spitze, Beine braunrot. Typischer Ruf ist ein hoher, durchdringender Pfiff: „tsiih“ oder „tjil“, häufig auch zweisilbig.

Lebensraum:

Der Eisvogel benötigt in seinem Habitat folgende Elemente: Zum einen langsam fließende oder stehende Gewässer für den Nahrungserwerb, aber auch zum Baden, z. B. Flüsse, Bäche und Teiche, aber auch Kiesgruben, Stauseen oder Altwasser. Dabei müssen gute Sichtverhältnisse, genügend Insekten und Kleinfische, z. B. Elritzen und Stichlinge, sowie Ansitzwarten vorhanden sein. Als Ansitzwarten dienen überhängende Zweige in bis zu 2 m Höhe über der Wasseroberfläche, aber auch Pflöcke, Pflanzenstängel usw. Zum anderen werden überhängende oder senkrechte Abbruchkanten für den Bau der Niströhre benötigt, die etwa ein Meter lang ist und in eine rundliche Nestkammer mündet. Hierfür werden frische Abbruchkanten bevorzugt. Die Steilwände müssen, um Schutz vor Hochwasser und Feinden zu bieten, mindestens 1,3 - 1,5 m hoch, in der Rheinaue noch höher sein. Vereinzelt brüten Eisvögel aber auch in nur 50 cm hohen Abbruchkanten an Wegeböschungen oder in den Wurzeltellern umgestürzter Bäume, so dass sie mehr Lebensräume als allgemein ange­nom­men nutzen können. Plätze mit Deckung und Schattenwurf durch Gebüsch werden bevorzugt.

Biologie und Ökologie:

Der Eisvogel ist Leitart für Fließgewässer. Der Abstand zwischen zwei Niströhren verschiedener Paare kann ausnahmsweise nur 200 m betragen, bei der heutigen oft geringen Siedlungsdichte zumeist jedoch mehr. Nahrungsgebiet und Nistplatz liegen nicht zwingend in unmittelbarer Nachbarschaft, sondern bis maximal 2 km voneinander entfernt. Außerhalb der Brutzeit besiedelt der Eisvogel ähnliche Habitate, jagt jedoch auch an anderen Gewässern wie Fischteichen und Teichen in Städten. Er kann dann beispielsweise auch an Einläufen von Kläranlagen in Bäche angetroffen werden.

Folgende Daten charakterisieren den Brutverlauf: Balzbeginn (Fischübergabe) ab Ende Februar, Höhlenbau ab Anfang März, die erste Brut ist Anfang Juni, die letzte Brut ist Ende August flügge. Bei mehrfach brütenden Paaren ist der mittlere Legebeginn der 5 – 7 Eier bei der 1. Brut um den 20. April, bei der 2. Brut Anfang Juni und bei der 3. Brut um den 15. Juli. Die Brutdauer beträgt 18 – 21 Tage, die Nestlingszeit 23 – 27 Tage. Nahrung: Fast ausschließlich Kleinfische. Fluchtdistanz 20 – 80 m; Gewöhnung an Wege möglich. In Mitteleuropa ist der Eisvogel Stand- oder Zugvogel und Wintergast. Alle Vögel aus Regionen mit kontinental geprägten Wintern (vor allem Nord- und Ost-Europa) ziehen in wintermildere Bereiche, bleiben jedoch überwiegend innerhalb des Brutareals der Art. Das Überwintern von mehr im Norden und Osten beheimateten Vögeln bei uns darf als gesichert gelten.

Verbreitung in Rheinland-Pfalz:

Der Eisvogel ist in etwa 7 Unterarten von West-Europa nach Osten bis Sachalin und Japan, nach Süden bis Indien, Taiwan und in Inselformen bis Melanesien, im Norden bis 60° verbreitet. Die Unterart ispida ist ohne echte Schwerpunkte über ganz Europa verbreitet.

In Deutschland existieren keine Schwerpunkte, in Rheinland-Pfalz sind die Vorkommen in allen Mittelgebirgen, aber auch an Kiesseen in der Oberrheinebene weit verbreitet.

Gefährdungen:

  • Als natürliche Ursachen sind insbesondere Bestandseinbrüche durch Extremwinter zu nennen, daneben auch negative Auswirkungen von Hochwassern (Vernichtung der Bruten, Verlust der Brutwände, ferner vermehrte Schwebstofffracht; Wassertrübung) und geringerer Bruterfolg in verregneten Sommern (verringerte Jagdmöglichkeit in aufgewühlten und trüberen Gewässern);
  • Ursache für den längerfristigen und gravierenden Rückgang des Eisvogelbestandes zwischen den 1950er und 1970er Jahren waren anthropogene Veränderungen der Lebensräume des Eisvogels;
  • Störungen an Brutplätzen durch Freizeitbetrieb;
  • Direkte Verfolgung, Abschuss oder Fang, Verfolgung auch in den Winterquartieren;
  • Unfälle, z. B. durch Straßenverkehr, Glasscheiben, Festfrieren an metallischen Sitzwarten;
  •  Verluste der Bruten durch höhlenaufgrabende Prädatoren.

Empfehlungen zum Schutz und zur Förderung der Art:

  • Erhaltung der verbliebenen, naturnahen Fließgewässersysteme und ihrer Altarme, Renaturierung ausgebauter Gewässer sowie Erhaltung und Schutz von Sekundärlebensräumen wie Kiesgruben und Baggerseen mit vorhandenen Steilwänden;
  • Verbesserung der Wasserqualität; Reduktion des Einsatzes von Düngemitteln;
  • Förderung der Wirbellosen- und Fischfauna durch (Struktur-) Güteverbesserung;
  • Schutz vor Verfolgung (in Teichwirtschaften Anlegung von „Ablenkteichen“ mit Sitzwarten und reichem Angebot an (wirtschaftlich uninteressanten) Kleinfischarten);
  • Steuerung der Freizeitnutzung in den Brutgebieten; ggf. Besucherlenkung oder Einrichtung unzugänglicher, geschützter Zonen;
  • Schaffung von Brutplätzen z. B. durch Anlage von Uferabstichen oder Anbringung von künstlichen Nisthilfen sowie von Nahrungs- und Ansitzmöglichkeiten an begradigten, ausgebauten Flussufern.

Literatur:

Bauer, H.-G. & P. Berthold (1996): Die Brutvögel Mitteleuropas – Bestand und Gefährdung. – Aula-Verlag, Wiesbaden.

Bay. Landesamt für Umweltschutz: Erhaltungsziele für die Arten der VS-RL: Eisvogel – Alcedo atthis.

Beaman, M. & S. Madge (1998): Handbuch der Vogelbestimmung: Europa und Westpalaearktis. – Ulmer Verlag, Stuttgart.

Bezzel, E. (1985): Kompendium der Vögel Mitteleuropas – Nonpasseriformes. – Aula-Verlag, Wiesbaden.

Bezzel, E. (1995): BLV-Handbuch Vögel. – BLV, München.

Bosselmann, J. (2003): Die Vogelwelt in Rheinland-Pfalz – Seetaucher bis Enten. – Pflanzen und Tiere in Rheinland-Pfalz, Sonderheft VI. – Mayen.

Braun, M., Kunz, A. & L. Simon (1992): Rote Liste der in Rheinland-Pfalz gefährdeten Brutvogelarten (Stand 31.06.1992). – Fauna Flora Rheinland-Pfalz 6: 1065-1073.

Dietzen, C. & V. (2002): Ornithologischer Sammelbericht 2001 für Rheinland-Pfalz. – Fauna Flora Rheinland-Pfalz, Beiheft 27.

Dietzen, E., Folz, H.-G. & E. Henß (2004): Ornithologischer Sammelbericht 2003 für Rheinland-Pfalz. – Fauna Flora Rheinland-Pfalz, Beiheft 32.

Dietzen, E., Folz, H.-G., Henß, E.,  Eislöffel, F., Jönck, F., Hof, M. & C. Hof (2003): Ornithologischer Sammelbericht 2002 für Rheinland-Pfalz. – Fauna Flora Rheinland-Pfalz, Beiheft 30.

Fischer, A. & K.-H. Berck (2000): Eisvogel – Alcedo atthis. – In: Hessische Gesellschaft für Ornithologie und Naturschutz (Hrsg.) (2000): Avifauna von Hessen, 4. Lieferung.

Flade, M. (1994): Die Brutvogelgemeinschaften Mittel- und Norddeutschlands – Grundlagen für den Gebrauch vogelkundlicher Daten in der Landschaftsplanung. – IHW, Eching.

Kunz, A. & C. Dietzen (2002): Die Vögel in Rheinland-Pfalzeine aktuelle Artenliste (Stand 01.12.2002). – Fauna Flora Rheinland-Pfalz, Beiheft 28: 207-221, Landau.

Kunz, A. & L. Simon (1987): Die Vögel in Rheinland-Pfalz – Eine Übersicht. – Naturschutz und Ornithologie in Rheinland-Pfalz 4, 3: 353-657, Landau.

Staatliche Vogelschutzwarte für Hessen, Rheinland-Pfalz und Saarland (2002): Artensteckbriefe zu den Zielarten der Vogelschutzrichtlinie. – Frankfurt/M. 

Svensson, L., Grant, P., Mullarney, K. & D. Zetterström (1999): Der neue Kosmos-Vogelführer – Stuttgart.

Stand: 17.02.2016