Steckbrief zur Art A127 der Vogelschutz-Richtlinie
Kranich (Grus grus)
Status und Häufigkeit:
Anhang I | Gefährdeter Durchzügler | Rote Liste D (2015) | Rote Liste RLP (2014) | Erhaltungszustand |
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- | x | * | * | |
Status RLP | Bestand D | Bestand RLP | Bestandsentwicklung RLP | |
Durchzügler | 7.000 – 8.000 Brutpaare | jährlich fast 100.000 Durchzügler, regelmäßig einige hundert Rastvögel | Zunahme durch Anstieg der westziehenden Population |
Kennzeichen:
Länge: 110 – 120 cm, Spannweite bis 245 cm. Altvögel mit schwärzlichem Kopf und Hals und einem weißen Band, das sich vom Auge hinab bis zu den Seiten des oberen Halses erstreckt. Aus der Nähe kann der kleine, rote Scheitelfleck sichtbar sein. Sehr auffallend die langen, bauschig getragenen Schmuckfedern. Jungvögel ohne adulte Kopfzeichnung, mit rötlichbraunem Hals und Kopf und insgesamt matter gefärbt. In grellem Licht kann das Grau des Gefieders sehr hell erscheinen (Verwechslungsgefahr mit dem Weißstorch Ciconia ciconia). Im Flug mit lang ausgestrecktem Hals und den kurzen Schwanz weit überragenden Beinen leicht von ähnlichen, ebenfalls in V-Formation ziehenden Arten (Gänsen, Kormoran, Graureiher) zu unterscheiden. Flugweise langsam und kräftig, die Handschwingen sehen bei jedem Abschlag stark gefingert aus. Oft mehrere Schläge gefolgt von kurzem Gleiten. Schreitet „würdevoll“. Die Stimme ist ein laut tönendes Trompeten „kruh“, von Jungvögeln hört man auf dem Zug ein hoch pfeifendes „chierp“.
Lebensraum:
Brutvogel in feuchten bis nassen Flächen, in Europa meist in Niederungsgebieten wie Verlandungszonen, Nieder- und Hochmoore, Waldbrüche und -seen, Seggenrieder, in Nordeuropa auch in baumlosen Hochmooren und Fjällgebieten, in Asien sogar in der Subalpinstufe.
Außerhalb der Brutzeit häufig auf Feldern und Wiesen in weithin offenen Bereichen, Schlafplätze meist im Flachwasser (starkes Sicherheitsbedürfnis).
Biologie und Ökologie:
Schmalfrontzieher von den nördlichen Brutgebieten über Sammelplätze im Ostseeraum, über einen nur 200 km breiten Korridor durch Mitteleuropa zu den Rast- und Überwinterungsplätzen in Frankreich und Spanien.
Geschlechtsreif erst mit 4 bis 6 Jahren, meist monogame Dauerehe. Nest am Boden, meist in sehr feuchtem bis nassem Gelände. Umfangreicher Nestbau durch beide Partner, Gelege (1) 2 (3) oliv bis rötlichbraun gefärbte Eier mit graubraunen Flecken. Legebeginn in Mitteleuropa meist im April, eine Jahresbrut, Ersatzgelege nur bei frühem Verlust. Brutdauer um 30 Tage. Die Jungen verlassen nach 24 Stunden das Nest, sie sind erst mit 9 Wochen über kurze Strecken flugfähig. Der Familienverband hält noch im Winterquartier zusammen. Die Tiere können sehr alt werden, in Gefangenschaft bis zu 42 Jahre.
Tierische und pflanzliche Nahrung, wobei Pflanzen insgesamt wohl überwiegen bei sommerlich hohem tierischem Anteil. In Mitteleuropa besonders Feldpflanzen, Beeren, Getreide, Erbsen, Bohnen, im Winterquartier Eicheln und Oliven. Die große Fluchtdistanz liegt bei 200 bis 500 m.
Verbreitung in Rheinland-Pfalz:
Das globale Brutgebiet des Kranichs erstreckt sich von Mitteleuropa im Westen bis zum Ochotskischen Meer im Osten und von der Waldtundra im Norden zu den mittelasiatischen Steppen im Süden. Die Überwinterungsgebiete finden sich von Frankreich, Spanien und Nordafrika, Teilen des Niltals und einigen Bereichen Asiens bzw. des Indischen Subkontinents bis nach China. In Europa brütet die Art in weiten Teilen Skandinaviens, des Baltikums, Russlands und Polens sowie in Teilen Weißrusslands, der Ukraine und Deutschlands. Inzwischen gibt es auch einzelne Ansiedlungen in lange verwaistem Areal, so in Dänemark sowie England und Frankreich. In Deutschland nimmt der Bestand nach anhaltenden Rückgängen bis etwa Anfang der 1970er Jahre nunmehr wieder kontinuierlich zu, und man kann grob von einer Verdoppelung der Brutzahlen von Anfang der 1970er bis zu den 1990er Jahren ausgehen. 1993 brüteten 1.800 bis 1.900 Paare, aktuell wird eine Zahl von etwa 2.500 Paaren angegeben, wobei die Art inzwischen das gesamte Areal zwischen Weser und Elbe besiedelt.
Durch Zuzug aus nördlichen bzw. östlichen Brutgebieten erhöht sich der in Deutschland anwesende Bestand von Oktober bis November sehr stark. Aufgrund der Kombination aus geeigneten Nahrungsreserven (meist abgeerntete Mais-, Rüben- und Getreidefelder) und sicheren Schlafplätzen im Flachwasser werden verschiedene Sammelplätze vor allem in Mecklenburg-Vorpommern (vor allem Rügen-Bock-Region) und Brandenburg von den Vögeln konzentriert aufgesucht. Hier treffen die Kraniche ab August bis in den Oktober ein, um mit den ersten Kälteeinbrüchen und gleichzeitig meist vorherrschenden Rückenwinden den Zug in die spanischen und französischen Winterquartiere durchzuführen. Die Zahl im Nordosten Deutschlands rastender Kraniche ist in den letzten 15 Jahren kontinuierlich gestiegen, wofür neben realen Bestandszunahmen vor allem wohl Zugwegverlagerungen von östlich ziehenden Kranichen auf die Westroute verantwortlich sind. So konnten 1997/98 beachtliche 83.000 bzw. 96.000 Kraniche synchron an deutschen Rastplätzen erfasst werden. Einschließlich einer nicht quantifizierbaren Anzahl von Westziehern unter den in Polen rastenden Vögeln (20.000 bis 23.000 Individuen alle in Masuren) kann die durch Deutschland nach Südwesten ziehende Kranich-Population auf aktuell etwa 120.000 Individuen geschätzt werden.
Die morgens in Nordostdeutschland startenden Vögel erreichen gegen Mittag Göttingen und Nordhessen, sind ab etwa 14:00 Uhr über Schwalmstadt und Marburg, kurz darauf in der Höhe von Gießen und Wetterau und anschließend über dem Taunus zu beobachten. In Südwestdeutschland ist der Durchzug manchmal nur noch in der Abenddämmerung bzw. den Nachtstunden anhand der auffälligen Rufe oder aber während jahreszeitlich früher Abflüge aufgrund der dann noch später einsetzenden Dunkelheit wahrnehmbar.
Aufgrund der räumlich wie zeitlich starken Konzentration der Rastkraniche in Nordostdeutschland und der nur punktuell vorhandenen Winterquartiere ziehen die Tiere in einem aus biologischer Sicht äußerst engen, nach Südwesten gerichteten Korridor von etwa 200 km Breite durch Deutschland. Die regelmäßigen westlichsten Vorkommen erreichen das Ruhrgebiet, die östlichsten das Grenzgebiet zwischen Hessen und Thüringen. Dabei orientieren sich die ziehenden Kraniche offenbar (ausschließlich?!) optisch, verfügen also über keine Orientierungsmechanismen in dichtem Nebel, starkem Regen oder bei ähnlichen Witterungserscheinungen mit Ausfall der optischen Navigation.
40 % des Weltbestandes nutzen den westlichen Zugkorridor, der in voller Breite über Hessen und Rheinland-Pfalz hinwegführt. Somit ist die Bedeutung dieser beiden Bundesländer für den Kranich enorm, wenn auch Rastaufenthalte abseits der wenigen genutzten Rastplätze zwar regelmäßig, aber vor allem im Zusammenhang mit ungünstiger Witterung vorkommen.
In Rheinland-Pfalz ist der Kranich bislang reiner Durchzügler, doch ist eine Brutansiedlung in Anbetracht der großräumigen Entwicklung mit Bruten in England, den Niederlanden und Frankreich nicht ausgeschlossen.
Vorkommen in Vogelschutzgebieten:
Gefährdungen:
- Störungen, auch bedingt durch die Übererschließung der Gebiete mit Wegen;
- Gelegeverlust durch Trockenfallen der Brutplätze;
- Verluste an Freileitungen;
- Störungen durch Windenergieanlagen (im Rast- und Durchzugsgebiet wohl mehr als am Brutplatz).
Empfehlungen zum Schutz und zur Förderung der Art:
- Erhalt und Schutz naturnaher Flussniederungen, Niedermoore etc.;
- Renaturierung trockengefallener Moore, Bruchwälder etc.;
- Schutz der wichtigen Rast-, Sammel- und Überwinterungsgebiete;
- Verstärkte Öffentlichkeitsarbeit.
Literatur:
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