Steckbrief zur Art A084 der Vogelschutz-Richtlinie
Wiesenweihe (Circus pygargus)
Status und Häufigkeit:
Anhang I | Gefährdeter Durchzügler | Rote Liste D (2015) | Rote Liste RLP (2014) | Erhaltungszustand |
---|---|---|---|---|
x | - | 2 | 1 | |
Status RLP | Bestand D | Bestand RLP | Bestandsentwicklung RLP | |
Regelmäßiger Brutvogel; verlässt das Brutgebiet im Winterhalbjahr; Durchzügler | 470 – 550 Brutpaare | 1 - 5 Brutpaare | bei Schwankungen abnehmend |
Kennzeichen:
Länge 43 – 47 cm, Spannweite 105 – 125 cm. Von den beiden kleinen Weihenarten ist die Wiesenweihe die weiter verbreitete. Auch sie hält im Segel- und Gleitflug die Flügel in einem flachen „V“. Die Männchen unterscheiden sich von Korn- und Steppenweihen-Männchen durch die dunkler graue Färbung und das typische Flügelmuster mit zwei schwarzen Bändern auf der Unterseite der Armschwingen und einem auf der Oberseite sowie durch die rötlichbraunen Streifen an Flanken und Unterflügeldecken. Im Gegensatz zur Steppenweihe sind die Flügelspitzen völlig schwarz. Die Wiesenweihe ist zudem deutlich schlanker als die Kornweihe, die Flügel sind länger, schmaler und spitzer. Die Flügelspitze wird von der 2. bis 4. Handschwinge gebildet statt von der 2. bis 5., auch der Schwanz ist länger (deutlich länger als die Flügelbreite). Die Flugweise ist leichter und eleganter, fast seeschwalbenartig, mit unruhig schwankenden Gleitphasen. Die Gefiederfärbung variiert von aschgrau oder bräunlichgrau (bei den meisten Männchen) bis zu hell aschgrau (einige ältere Männchen). Weibchen werden von weiblichen und juvenilen männlichen Kornweihen durch die gleichen Unterschiede in Gestalt und Flugweise getrennt wie die Männchen sowie durch einen auffälligeren dunklen Ohrbereich und das Fehlen eines hellen Halsrings (bei der Kornweihe ein schmaler Ring). Die Jungvögel sind leichter zu unterscheiden anhand der tief rötlichbraunen Färbung der ungestreiften Unterseite und Unterflügeldecken und der deutlich dunkleren Unterseite der Armschwingen. Zur Unterscheidung von den ähnlichen juvenilen Steppenweihen sollte Spezialliteratur herangezogen werden. Die Art ist gewöhnlich schweigsam. Der Balzruf des Männchens ist ein lautes, hartes, schnell wiederholtes „kjek-kjek-kjek“, der Warnruf ist ähnlich, aber schriller. Die Weibchen betteln mit klagend-pfeifenden „psii“-Rufen.
Lebensraum:
Brutvogel feuchter Niederungsgebiete bis in mittlere Höhenlagen (max. 600 m). Die Brutplätze in Mitteleuropa reichen von schütteren Verlandungsgesellschaften und sehr feuchten Mooren über offene Buschlandschaften bis zu trockenem Wiesen- und Ackerland. Die Wiesenweihe brütet vergleichsweise häufiger in Intensivkulturen als die Kornweihe.
Biologie und Ökologie:
Die Wiesenweihe ist ein klassischer Langstreckenzieher mit Winterquartieren in den Savannen Afrikas südlich der Sahara und in Südasien. Die Winterquartiere werden nach einem Breitfrontzug erreicht. Die ersten Heimzügler werden in der Regel Mitte April, gelegentlich schon Ende März beobachtet. Das Zugmaximum liegt Ende April bis Anfang Mai, der Heimzug klingt Ende Mai aus. Der Wegzug findet ab Juli, hauptsächlich im August und September statt.
Der Legebeginn liegt frühestens Anfang Mai, Hauptlegezeit erst Ende Mai und Anfang Juni. Das Gelege umfasst (2) 3 – 5 (6) Eier, im Mittel aus verschiedenen Untersuchungen zwischen 3,8 und 4,4. Die Brutdauer beträgt 28 – 35 Tage je Gelege bzw. 27 – 30 je Ei. Die Bebrütung findet wie bei allen Weihen fast ausschließlich durch das Weibchen statt, das Männchen jagt derweil. Die Jungen können mit 20 Tagen das Nest verlassen, sind ab 28 Tagen bei Bedrohung schwach flugfähig, die Nestlingszeit ist regulär jedoch erst mit 35 – 40 Tagen abgeschlossen. Die Familie bleibt mindestens 10 – 14 weitere Tage zusammen. Es kommt häufig vor, dass die Familie noch mehrere Wochen in der Nähe des Brutplatzes bleibt. Der Bruterfolg liegt durchschnittlich bei 1,5 bis 2,0 Jungen je Nest. Der älteste Ringvogel wurde 16 Jahre alt.
Die Nahrung besteht in stärkerem Maße als bei der Rohrweihe aus Insekten und Reptilien.
Die Fluchtdistanz liegt bei 150 bis 300 m. Während die Nestreviere sehr klein und sogar kolonieartige Ansiedlungen die Regel sind, ist das Nahrungsrevier bis zu 20 km² groß.
Verbreitung in Rheinland-Pfalz:
Von Europa, wo die Wiesenweihe nur lückenhaft verbreitet ist, reicht das Brutareal bis Zentralsibirien. Sie kommt im Norden bis an die nordische Waldzone vor, im Süden bis in die Steppengebiete und das Vorland des Altai. Hauptverbreitungsgebiete in Mitteleuropa sind heute das Norddeutsche Tiefland, Holland, Lothringen, die Mainfränkischen Platten und die Flusstäler Mittel- und Nordostpolens.
Die wichtigsten Brutgebiete in Deutschland liegen in der Hellweg-Börde (Nordrhein-Westfalen), auf den Mainfränkischen Platten (Bayern) sowie in Nord- und Ostdeutschland. In Rheinland-Pfalz finden Bruten im Rheinhessischen Hügelland, im Nordpfälzer Bergland und in der Pfalz statt.
Vorkommen in Vogelschutzgebieten:
6014-403 - Ober-Hilbersheimer Plateau |
6314-401 - Ackerplateau zwischen Ilbesheim und Flomborn |
Gefährdungen:
- Veränderung und Verlust des Lebensraumes durch Intensivierung der Landwirtschaft; Überweidung, Uniformierung der Agrarlandschaft, Entwässerungen von Grünland-Feuchtgebieten;
- Straßenbau;
- Brutverlust durch Störungen an den Brutplätzen (z. B. Straßenverkehr, frühe Mahd- und Erntetermine, Erholungsbetrieb;
- Lebensraumverschlechterungen in den Überwinterungsgebieten, z. B. durch intensiven Pestizideinsatz bei der Heuschreckenbekämpfung;
- Verlust durch Prädatoren;
- Geringeres Nahrungsangebot, z. B. durch das Ausbleiben von Feldmausgradationen.
Empfehlungen zum Schutz und zur Förderung der Art:
- Erhaltung und Schutz der ursprünglichen Nisthabitate in Feuchtgebieten, Mooren und Streuwiesen;
- Erhaltung von Grünland und ggf. Wiedervernässung feuchter Grenzertragsböden;
- Erhaltung und extensive Nutzung von Grenzertragsstandorten;
- Einrichtung zusätzlicher Brachflächen und Randstreifen;
- Schutz bekannter Brutstandorte durch Absprachen mit den jeweiligen Landbesitzern;
- Lenkung der Freizeitnutzung in den Brutgebieten, Verbot von Modellflugbetrieb in den Brut- und Rastgebieten, Vermeidung der Errichtung vertikaler Strukturen;
- Management zur Brutzeit.
Literatur:
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