a081 - Rohrweihe (Circus aeruginosus) | VSG-Arten in RLP

Steckbrief zur Art A081 der Vogelschutz-Richtlinie

Rohrweihe (Circus aeruginosus)

Status und Häufigkeit:

Anhang I Gefährdeter Durchzügler Rote Liste D Rote Liste RLP Erhaltungszustand
x - * 3
Status RLP Bestand D Bestand RLP Bestandsentwicklung RLP
Regelmäßiger Brutvogel; verlässt das Brutgebiet im Winterhalbjahr; Durchzügler 7.500 – 10.000 Brutpaare ca. 40 Brutpaare gleichbleibend

Kennzeichen:

Länge 48 – 56 cm, Spannweite 120 – 135 cm. Die Rohrweihe ist die größte europäische Weihe, sie ist etwa so groß wie der Mäusebussard. Wie bei allen Weihen sind die langen Flügel, die im Segel- und Gleitflug in flacher, aber deutlicher V-Stellung gehalten werden, charakteristisch. Kopf und Rumpf sind schlank, der Schwanz ist lang, schmal und leicht gerundet (länger als die Flügelbreite). Die Rohrweihe hält sich außer während des Zuges oder im Balzflug gewöhnlich in Bodennähe auf. Die typische Flugweise besteht aus einer Reihe von Flügelschlägen, auf die eine Gleitphase mit flach V-förmiger Flügelhaltung folgt. Im Gleitflug wird der Flügelbug nach vorne geschoben (fast auf gleicher Höhe mit dem Schnabel). Die Rohrweihe ist kaum mit anderen Weihen zu verwechseln (abgesehen von der seltenen dunklen Morphe der Wiesenweihe) aufgrund der wuchtigeren Erscheinung mit breiteren und an der Spitze runderen Flügeln und des unterschiedlichen Gefiedermusters: Rumpf und Flügeldecken beim Männchen dunkel, vorwiegend dunkles Gefieder ohne weißen Bürzelfleck beim Weibchen- und Jugendkleid. Der im Vergleich mit anderen Weihen kräftigere Körperbau und kürzere Schwanz machen jedoch eine Verwechslung mit anderen Greifvögeln durchaus möglich. Das Männchen ist  von ähnlich gefärbten Buteo-Arten und vom Wespenbussard am besten unterschieden durch die ungebänderte hellgraue Oberseite der Armschwingen und Basen der Handschwingen, die mit den dunklen Handschwingenspitzen kontrastieren, durch das Fehlen eines dunklen Flügelbugabzeichens und aus der Entfernung durch die schmaleren Flügel mit stärker parallel verlaufenden Rändern, den längeren und schmaleren Schwanz und die Gewohnheit, nicht nur im Segel-, sondern auch im Gleitflug die Flügel anzuheben. Einige adulte Männchen sind unterseits fast vollständig weißlich (bis auf die schwarzen Handschwingenspitzen) und erinnern an Kornweihenmännchen, zeigen aber trotzdem noch kastanienbraune oder bräunliche Bereiche an Bauch- und Steißregion und zudem das arttypische Oberseitenmuster. Jugendkleid ähnlich typischem Weibchenkleid, aber insgesamt dunkler, die hellen Bereiche sind eher hell zimt- als rahmfarben. Gewöhnlich ohne hellen Armflügelvorderrand, nie mit gelblichem Brustfleck. Oft mit vollständig dunklem Kopf oder nur einem hellen Fleck im Nacken. Typische Adultkleider werden wohl erst im 3. Kalenderjahr angelegt. Gewöhnlich schweigsam, Balzruf des Männchens jedoch ein weithin hörbares, durchdringendes (kiebitzähnliches) „wie-ää“ oder „kwiiuu“. Bei Gefahr gackernd „tscheck-ek-ek“.

Lebensraum:

Die Rohrweihe ist ein Brutvogel offener Landschaften, wobei sie zwar näher an Schilf gebunden ist als andere Circus-Arten, dabei aber insgesamt anpassungsfähiger ist als die anderen Weihen. Sie brütet zwar mit Vorliebe in dichten und hohen Schilfkomplexen, aber Nester werden vermehrt auch in landwirtschaftlich genutzten Gebieten gefunden (z. B. in Getreidefeldern sowie auf Grünland, ausnahmsweise auch Sukzessionsflächen), wobei allerdings die Nähe geeigneter Nahrungshabitate zum Jagen wichtig ist. Diese liegen im Schilfgürtel und angrenzenden Wasserflächen, Verlandungszonen und Wiesen, aber auch außerhalb der Röhrichtbereiche in der freien Feldflur bis zu sieben Kilometer vom Brutplatz entfernt.

Biologie und Ökologie:

War die Rohrweihe im 19. Jh. noch weit verbreitet, so erfuhr die Art um die Jahrhundertwende großräumig einen Bestandsrückgang und Arealverlust, von dem sie sich erst in den 1930er Jahren erholte. Erneuter Rückgang wurde Mitte der 1950er Jahre festgestellt, er hielt in einigen Gegenden bis in die 1970er Jahre an. Neben zwischenzeitlichen Bestandsrückgängen aufgrund von Lebensraumverlusten überwiegen derzeit positive Trends in weiten Teilen Mitteleuropas (Zuwachs und Wiederausweitung des Verbreitungsareals).

Die Rohrweihe ist ein Kurz- und Langstreckenzieher. Der Wegzug aus Mitteleuropa findet auf breiter Front in Richtung S-SW statt. Die Wintergebiete befinden sich im tropischen Afrika, z. T. auch im Mittelmeerraum (Spanien, Südfrankreich) und in den Niederlanden. Der Heimzug beginnt zögerlich Anfang März und erreicht Ende März/Anfang April seinen Höhepunkt. Der Zug in die Winterquartiere setzt Anfang August ein, ist von der letzten August- bis zur zweiten Septemberdekade in vollem Gange und klingt bis Mitte Oktober langsam aus.

Nach Ankunft in den Brutgebieten Ende März bis Mitte April liegt der mittlere Legebeginn Anfang Mai. Die bläulich-weißen, selten gefleckten (2) 3 – 7 (8) Eier werden in einen Bodenhorst gelegt. Eine Untersuchung im benachbarten Rhein-Main-Gebiet ergab eine Gelegegröße von im Durchschnitt mindestens 3,8 Eiern (Vergleichswerte aus Mitteleuropa: 4,3 bis 4,7), des Weiteren im Mittel 2,8 ausgeflogene Junge pro begonnener Brut. Die Brutdauer beträgt 31 – 36 Tage. Die Jungen werden vom Weibchen, das übrigens die Bebrütung der Eier allein vornimmt, 14 Tage pausenlos betreut, während das Männchen die Beute bringt. Ab einem Alter von 26 Tagen verlassen die Jungen das Nest, ab 30 Tagen sind erste Flugversuche und mit 39 Tagen erste Flüge festzustellen. Der älteste Ringvogel wurde 16 Jahre alt.

In der Wahl der Nahrung ist die Rohrweihe sehr anpassungsfähig und daher weniger von bestimmten Beutetieren abhängig. Sie nutzt vor allem kleine Vogelarten und Säuger, zur Brutzeit in hohem Anteil Küken und Nestlinge, mit gewisser Regelmäßigkeit auch Eier, Reptilien, Amphibien, Aas und Großinsekten.

Die Fluchtdistanz beträgt 100 bis 300 m. Das Nestrevier ist mit Horstabständen von z. T. < 100 m klein, das Jagdgebiet mit maximal 15 km² jedoch sehr groß.

Verbreitung in Rheinland-Pfalz:

Das Areal der Nominatform reicht von Nordwestafrika und den Mittelmeerländern im Süden und Süd-Fennoskandien im Norden in breitem Gürtel ostwärts bis Nordwest-Mongolei und Baikalsee; ferner lebt die Rohrweihe in weiteren Unterarten in Ostsibirien bis zum Pazifik sowie isoliert auf Madagaskar, Neuguinea, Australien und Neuseeland. Schwerpunkte in Europa liegen in den Niederungsgebieten Russlands und Nordost-Mitteleuropas.

In Deutschland ist die Art vor allem im Nordosten weiter verbreitet. In Rheinland-Pfalz liegen die Verbreitungsschwerpunkte in Rheinhessen und der Vorderpfalz, während aus dem nördlichen Teil nur sehr wenige Brutnachweise vorliegen.

Gefährdungen:

  • Veränderungen und Verlust des Lebensraumes durch Regulierung von Fließgewässern, Grundwasserabsenkungen und Entwässerungen, dadurch Trockenfallen und Verlust der Schilfgebiete und Flussauenlandschaften, Kiesabbau, Meliorationen, lokal Schilfschnitt;
  • Verlust von Nestern sowie Rückgang der Nahrungsgrundlagen infolge Einsatzes von Bioziden und intensivierter Landwirtschaft;
  • Störungen an den Brut- und Nahrungsplätzen (intensive Freizeitnutzung, Straßenverkehr, Landwirtschaft);
  • Illegale Verfolgung im Brut- und Zuggebiet; Verluste in den Winterquartieren.

Empfehlungen zum Schutz und zur Förderung der Art:

  • Wiedervernässung trockengefallener Schilfgebiete sowie Neuschaffung geeigneter Lebensräume, z. B. auch in ehemaligen Abbaugebieten;
  • Neuanlage von Hecken, Ackerrainen, Tümpeln etc.;
  • Nachhaltiger Schutz und Erhalt von Flussniederungen, Schilfgebieten und extensiv genutztem Feuchtgrünland, Schaffung von Ruhezonen und störungsfreien Jagdflächen in den Brutgebieten;
  • Schutz bekannter Brutstandorte durch Absprachen mit den jeweiligen Landnutzern; 
  • Lenkung der Freizeitnutzung in den Brutgebieten, Verbot von Modellflugbetrieb in den Brutgebieten der Rohrweihe und anderer Weihenarten.

Literatur:

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Stand: nicht vorhanden