a074 - Rotmilan (Milvus milvus) | VSG-Arten in RLP

Steckbrief zur Art A074 der Vogelschutz-Richtlinie

Rotmilan (Milvus milvus)

Status und Häufigkeit:

Anhang I Gefährdeter Durchzügler Rote Liste D (2015) Rote Liste RLP (2014) Erhaltungszustand
x - * V
Status RLP Bestand D Bestand RLP Bestandsentwicklung RLP
Regelmäßiger Brutvogel; verlässt das Brutgebiet im Winterhalbjahr; Durchzügler 12.000 – 18.000 Brutpaare 500 – 700 Brutpaare offenbar abnehmend

Kennzeichen:

Länge 60 – 66 cm, Spannweite 155 – 180 cm. Der Rotmilan ist ein mittelgroßer Greifvogel mit langen Flügeln und langem, tief gegabeltem Schwanz. Er ist deutlich größer und langflügeliger als der Mäusebussard und wirkt sehr elegant. Aufgrund der charakteristischen Schwanzform ist er höchstens mit dem Schwarzmilan zu verwechseln. Im Vergleich ist der Rotmilan heller, insgesamt rötlichbraun statt graubraun, weniger einheitlich gefärbt und durchschnittlich etwas größer. Er erscheint schlanker aufgrund der schmäleren Flügel und des längeren Schwanzes (deutlich länger als die Flügelbreite) und ist am besten am tief eingeschnittenen, rostroten (Altvögel) oder rötlichbraunen (Jungvögel) Schwanz zu unterscheiden. Selbst im Segelflug ist der Schwanz beim Rotmilan (anders als beim Schwarzmilan) immer noch deutlich gegabelt; problematisch können jedoch Vögel in der Mauser oder mit abgetragenem Gefieder ohne tiefe Gabelung sein. Durch den langen Schwanz scheinen die Flügel besonders weit vorne am Körper anzusetzen. Das helle Handflügelfeld ist gewöhnlich größer und immer weiß, weniger gebändert und daher stärker kontrastierend als beim Schwarzmilan. Auch das helle Band auf den Oberflügeldecken ist beim Rotmilan breiter und auffälliger als beim Schwarzmilan. Die Jungvögel sind an der helleren Rumpfunterseite, der breiteren, helleren Binde auf den Oberflügeldecken sowie an der dahinter verlaufenden schmalen, hellen Binde, die von den Spitzen der Großen Arm- und Handdecken gebildet wird, und dem mehr braunen Schwanz zu erkennen. Die Stimme ist ein typisches schrilles, pfeifendes „piii-uuu“, das oft zu einem auf- und absteigenden „piii-uuu-iii-uuu“ gedehnt wird.

Lebensraum:

Der Lebensraum des Rotmilans besteht aus zwei Haupttypen: Wald als Brut- und Ruhehabitat und waldfreies Gelände als Nahrungshabitat. Insgesamt erfüllt eine abwechslungsreiche Landschaft aus Offenland (mit hohem Grünlandanteil) und Wald (mit einem hohen Anteil an altem Laubwald) die Ansprüche des Rotmilans am besten. Die intraspezifische Territorialität führt im Allgemeinen zu einer gleichmäßigen Verteilung der Reviere im Raum. Die Horste werden generell auf hohen Bäumen, meist in der Waldrandzone, angelegt. Als bevorzugtes Jagdgebiet des Rotmilans dienen Grünlandgebiete (Wiesen) mit unterschiedlichem Nutzungs(schnitt)muster. In der Reproduktionszeit liegen die Jagdanteile auf Grünland bei > 80%. Auch Mülldeponien können lokalen Rotmilanvorkommen als wichtiges Nahrungshabitat dienen.

Biologie und Ökologie:

Der Bestandseinbruch beim Rotmilan ab der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts ist vor allem auf die direkte intensive menschliche Verfolgung (Jagd, allgemeine Greifvogelverfolgung) sowie auf eine intensivierte Waldwirtschaft und Landnutzung zurückzuführen. Seit Anfang der 1960er Jahre erfolgte zunächst eine Bestandszunahme in den meisten Gebieten, in Südwesteuropa (Portugal, Spanien) und Teilen Osteuropas hält der Rückgang dagegen weiterhin an.

Der Rotmilan ist in Mitteleuropa ein Sommervogel mit Tendenzen zum Überwintern und wird als Kurz- bis Mittelstreckenzieher mit Winterquartieren überwiegend in Spanien und Frankreich eingestuft. Der Heimzug vollzieht sich Mitte Februar bis Anfang April, mit der Ankunft an den Brutplätzen ist ab Anfang März bis Mitte April (überwiegend Mitte März) zu rechnen. Der Wegzug findet Ende August bis Ende Oktober statt, in manchen Jahren wird starker Zug noch im November bis Anfang Dezember verzeichnet.

Der typische Horststandort befindet sich in älterem, locker- bis weitständigem Waldbestand mit günstigen (Ein-) Flugmöglichkeiten. Laubwald erfüllt die Ansprüche an die Habitatstrukturen mehr als Nadelwald. Der Rotmilan ist Baumbrüter (Freibrüter). Das große Nest wird überwiegend auf alten, großkronigen Buchen (seltener Eichen oder Nadelbäumen) gebaut. Legebeginn ist ab Anfang April. Das Flüggewerden der Jungvögel findet Ende Juni/Anfang Juli statt, durchschnittlich werden 2 – 3 flügge Junge je erfolgreichem Brutpaar, selten mehr festgestellt.

Die Nahrung besteht vor allem aus Kleinsäugern, Regenwürmern sowie Aas und Abfällen auf Mülldeponien. Das Nestrevier ist sehr klein, das Nahrungsrevier hingegen oft > 4 km² groß, Nahrungsflüge zu besonders geeigneten Gebieten gehen oft sogar noch darüber hinaus.

Fluchtdistanz: Im Allgemeinen 100 – 300 m, wobei der Rotmilan besonders empfindlich im Nestbereich während der Revierbesetzung ist. Während der Nahrungssuche kann er hingegen sogar über Ortslagen und an dicht befahrenen Straßen festgestellt werden.

Verbreitung in Rheinland-Pfalz:

Der Rotmilan wird gerne als „Europäer“ bezeichnet, denn im Unterschied zum Schwarzmilan ist sein Brutareal fast ausschließlich auf Mittel- und Südwesteuropa beschränkt. Somit beherbergt Mitteleuropa einen wesentlichen Bestandteil der Weltpopulation, und der größte Teil der Brutpopulation Mitteleuropas brütet in Deutschland. Deutschland beherbergt ca. 65 % des Weltbestandes, Verbreitungszentren liegen in Brandenburg, Sachsen-Anhalt, im südöstlichen Niedersachsen, in Thüringen und Hessen.

Der Rotmilan ist nördlich des Hunsrück- und Taunuskammes flächenhaft verbreitet. Auch in der Pfalz bestehen Vorkommen. Markant verdichtete Brutvorkommen existieren nur wenige, Dichten von 8 – 12 Paaren pro TK 25 sind keine Seltenheiten. Speziell in den grünlandwirtschaftlich geprägten Mittelgebirgslagen mit intensiver Grünlandnutzung ist die Art häufig.

Gefährdungen:

  • Stark verringertes Nahrungsangebot infolge Intensivierung der Landwirtschaft und Verbauung der Landschaft (Flächenverbrauch) (z.B. Rückgang des Hamsters, Verringerung der Mäusegradation);
  • Sekundärvergiftungen durch Rodentizide bei der Nagerbekämpfung;
  • Störung des Brutgeschäftes durch forstwirtschaftliche Maßnahmen in der Horstumgebung während der Brutzeit, kurze Umtriebszeiten und Abnahme des älteren Laubholzanteils;
  • Störungen und Vergrämung im Horstbereich durch Freizeitnutzung;
  • Verluste an Freileitungen und ungesicherten Masten;
  • Illegale Bejagung auf dem Zug in Frankreich und Spanien;
  • Offenbar häufigstes Kollisionsopfer unter den Greifvögeln an Windenergieanlagen.

Empfehlungen zum Schutz und zur Förderung der Art:

  • Erhaltung und Wiederherstellung naturnaher Wälder und Waldinseln in einer vielfältig genutzten Kulturlandschaft;
  • Vermeidung der Intensivierung der Landwirtschaft;
  • Erhaltung und Schutz von Altholzbeständen und insbesondere der Horstbäume. Sicherung störungsfreier Phasen in Horstnähe während der Brutzeit (März - Juli);
  • Erhaltung einer vielfältig strukturierten Agrarlandschaft mit ausreichendem Grünlandanteil; 
  • Entschärfung von gefährlichen Masttypen;
  • Begrenzung von Landschaftszerschneidungen in den Revieren (Straßen, Bahnlinien, Stromleitungen, Windkraftanlagen) inkl. Ausbau bzw. Neubau von Waldwegen;
  • Begrenzung von Grünlandumbruch und großflächiger Nutzungsänderung (Maisanbau);
  • Rücksichtnahme bei Forstarbeiten und Jagd innerhalb der Horstbereiche während der Brutzeit (01. März bis 31. Juli). 

Literatur:

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Stand: 17.02.2016