1099 - Flussneunauge (Lampetra fluviatilis) | FFH-Arten in RLP

Steckbrief zur Art 1099 der FFH-Richtlinie

Flussneunauge (Lampetra fluviatilis)

Gruppe:

Fische und Rundmäuler

Merkmale:

Das Flussneunauge ist wie auch das Bach- und das Meerneunauge ein Vertreter der Rundmäuler. Es ist ein “lebendes Fossil“, das sich in den 500 Millionen Jahren seiner Entwicklungsgeschichte kaum verändert hat. Rundmäuler zeichnen sich aus durch einen trichterförmigen, mit Hornzähnen bewehrten Saugmund. Ihr aalartiger Körper wird von einer schuppenlosen schleimigen Haut bedeckt. Sie besitzen weder Kiemen noch paarige Flossen wie die Knochenfische. Der hintere Teil der zweigeteilten Rückenflosse bildet gemeinsam mit der Schwanzflosse und der Afterflosse einen Flossensaum. Das Skelett ist knorpelig und nur gering entwickelt.

Das ausgewachsene Flussneunauge erreicht eine Körperlänge von 30 bis 40 Zentimetern. Die Körperoberseite und die Flanken sind dunkelgrau bis graugrün gefärbt, die Bauchseite ist weiß. Seinen Namen verdankt das Tier den scheinbar neun „Augen“ an den Körperseiten, die sich aus jeweils sieben Kiemenöffnungen, dem eigentlichen Auge und der Nasenöffnung zusammensetzen.

Lebensraum:

Das Flussneunauge lebt in größeren Flüssen und deren Mündungen sowie in den küstennahen Meeresgebieten. Als sogenannter anadromer Wanderfisch schwimmt er zum Laichen aus dem Meer die größeren Flüsse und Bäche hinauf und sucht saubere, kiesige und gut mit Sauerstoff versorgte Laichbiotope in den Oberläufen und mittleren Abschnitten der Gewässer auf. In der Umgebung der Laichplätze müssen lockere Feinsubstrate als Lebensraum für die Larven vorhanden sein. Solche Laichplätze finden sich an sonnigen Stellen, vor allem am Beginn und am Ende von Gleithängen. Dies ist zum Beispiel an der Sieg zu beobachten. Im Rhein wurden Flussneunaugen in den feinsedimentreichen, strömungsberuhigten Bereichen von Inseln, Hafenbecken oder Buhnenfeldern gefunden.

Biologie und Ökologie:

Die ersten 4 bis 5 Jahre ihres Lebens verbringen Flussneunaugen als augenlose Larven, sogenannte Querder, eingegraben im strömungsberuhigten sandig-schlammigen Feinsediment am Gewässergrund. Sie ernähren sich filtrierend von organischen Schwebstoffen und Algen. Im Spätsommer beziehungsweise Herbst ihres letzten Jahres als Larve erfolgt die Umwandlung (Metamorphose) zum erwachsenen Tier. Die Flussneunaugen sind etwa 15 cm lang, wenn sie im darauf folgenden Frühjahr ins Meer abwandern. Bis zum Erreichen der Geschlechtsreife leben sie vorwiegend im flachen Küstenbereich parasitisch an Wirtsfischen, an denen sie sich festsaugen und deren Haut und Gewebe sie abraspeln. Wirtsfische sind beispielsweise Hering, Makrele und Dorsch.

Der Laichaufstieg der geschlechtsreifen Flussneunaugen bis in die Oberläufe der Flüsse findet  überwiegend im Spätherbst und im Dezember statt. Dabei legen sie Distanzen von mehreren hundert Kilometern zurück und stellen die Nahrungsaufnahme ein. Der Darm degeneriert.

Hauptlaichzeit in Deutschland ist der April. Die Tiere laichen in Gruppen, ab einer Wassertemperatur von mindestens 9°C. Auf sauberen Kiesbänken in gut durchströmten Fließgewässerabschnitten werden durch kräftige Schwanzschläge Laichgruben ausgehoben. Das Weibchen saugt sich dann an einem Stein fest und wird vom Männchen umschlungen, das die austretenden Eier besamt. In wenigen Tagen legt das Weibchen bis zu 40 000 Eier ab. Nach 18 bis 24 Tagen schlüpfen aus den Eiern die Larven und der Zyklus beginnt von vorne. 2 bis 6 Wochen nach der Eiablage sterben die Elterntiere.

Verbreitung in Rheinland-Pfalz:

In Deutschland ist der Rhein ein aktueller Verbreitungsschwerpunkt des Flussneunauges. In Rheinland-Pfalz besiedelt diese Art darüber hinaus vor allem das Fliessgewässersystem der Sieg. Weitere Funde sind aus dem Mündungsbereich der Lahn, aus Nette, Saynbach, Ahr und Nahe bekannt.

Gefährdungen:

Durch Gewässerausbau und Stauhaltungen werden die Strömungsverhältnisse und damit die Abtragungs- und Auflandungsprozesse in Fließgewässern nachhaltig verändert. Durch stark reduzierte Strömungsgeschwindigkeit beispielsweise setzen sich Feinschwebstoffe in das Lückensystem der Kiesbänke, die hierdurch verschlammen und ihre Laichplatzfunktion verlieren. Kiesbänke werden aber auch als Hindernis für den Abtransport von Hochwässern oder für die Schifffahrt immer wieder beseitigt. Durch Gewässerausbau verursachte hohe Fließgeschwindigkeiten andererseits vernichten die Larvenlebensräume.

Viele der Stauwerke in den Flüssen sind für Flussneunaugen bei ihrer Wanderung nicht passierbar. Untersuchungen zufolge scheitern die meisten Tiere  bereits an nur circa 15 Zentimeter hohen Barrieren. Höhere Hindernisse und solche ohne natürliche Sohlsubstrate aus Kies oder mit Fließgeschwindigkeiten ab 1,9 m/s, sind überhaupt nicht mehr passierbar. Dies ist beispielsweise an unterströmten Wehren der Fall.

Eine Gefährdung geht auch von industriell verursachter Gewässererwärmung aus und generell von Gewässerverschmutzungen. Besonders Schadstoff- und Nährstoffanreicherungen im Feinsediment der Larvenlebensräume und Sauerstoffzehrung sind schädlich.

Schutzmaßnahmen:

Wesentlich für den Schutz des Flussneunauges ist die Sicherung und Entwicklung von sauberen sandig-kiesigen Abschnitten in den Fließgewässern als Laichbiotope und von ruhig strömenden, feinsedimentreichen Abschnitten als Lebensraum für die Larven sowie eine weitere Verbesserung der Wasserqualität.

Die Durchgängigkeit der Gewässer ist durch Beseitigung hemmender Barrieren und Errichtung von Fischaufstiegshilfen zu gewährleisten. Auch beim Abstieg muss sichergestellt sein, dass die jungen Flussneunaugen nicht in Turbinen verletzt oder getötet werden. Trotz alledem hat sich das Flussneunauge infolge der bisherigen Gewässerschutzmaßnahmen in seinem Bestand erheblich verbessert.

Literatur:

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Stand: 23.10.2017