1088 - Heldbock (Cerambyx cerdo) | FFH-Arten in RLP

Steckbrief zur Art 1088 der FFH-Richtlinie

Heldbock (Cerambyx cerdo)

Gruppe:

Käfer

Merkmale:

Der Heldbock zählt mit etwa 3 bis 5,5 cm Länge und 1 bis 1,5 cm Breite zu den größten Käfern Mitteleuropas. Innerhalb beider Geschlechtergruppen gibt es bezogen auf die Größe eine erhebliche Variationsbreite. Die Antennen des Männchens können bis zu 10 cm lang sein, die des Weibchens bis knapp 5 cm. Die Flügeldecken des braunschwarzen Bockkäfers sind zum hinteren Ende hin rotbraun gefärbt.

Lebensraum:

In Mitteleuropa gilt vor allem die Stieleiche als Entwicklungsbaum des Heldbocks, aber auch Traubeneichen werden besiedelt. Die Brutbäume müssen alt sein und sollten einen nach Süden exponierten, warmen Standort aufweisen. Stieleichen mit Fraßgängen von Heldbock-Larven weisen in einem Meter Höhe einen Umfang von 2 bis 5 Metern auf (Brusthöhendurchmesser ab 60 cm). Neben der Dimension sind vor allem die Stärke der Rinde und vorhandener Saftfluss für eine Besiedlung wichtig. Nur Eichenbestände ohne Unterwuchs (Solitärcharakter) sind als Brutbäume geeignet, da eine ungehinderte Sonneneinstrahlung auf den gesamten Stammbereich Voraussetzung für eine erfolgreiche Larvalentwicklung ist. 

Geeignete Alteichenbestände waren meist Hudewälder, das heißt lichte, beweidete Wälder oder Eichen in Parkanlagen oder Alleen. Natürliche, von menschlicher Nutzung weitgehend unbeeinflusste Lebensräume des Heldbocks waren und sind Hartholz-Flussauenwälder.

Biologie und Ökologie:

Der Heldbock besiedelt geschwächte, kränkelnde Eichen. In bereits abgestorbenen Eichen können die Käfer ihre Entwicklung nicht mehr starten, wohl aber noch beenden. Für ihre Entwicklung benötigen sie nährstoffreiche Flüssigkeiten in Bast und Splintholz. Erwachsene Käfer nehmen Säfte von Eichen auf.

Die gesamte Entwicklung vom Ei über die Larve bis hin zur Verpuppung findet im Baum statt. Nur die erwachsenen Käfer verlassen zur Paarung die Baumhöhle. Nach der Paarung werden in Abhängigkeit von der Körpergröße der Weibchen meist 300 oder mehr 2 bis 5 mm große Eier in Spalten in der Borke abgelegt. Nach 10 bis 14 Tagen schlüpfen die Larven, die in den folgenden Jahren bis ins Kernholz vordringen. Die Entwicklungsdauer beträgt 3 bis 5 Jahre. Im Spätsommer des letzten Entwicklungsjahres verpuppen sich die Larven. Dieses Puppenstadium dauert etwa 4 bis 6 Wochen. Die Jungkäfer sind spätestens bis Oktober fertig entwickelt und überwintern dann im Baum in der so genannten Puppenwiege. Zu Beginn der Flugzeit Ende Mai/Juni fressen sich die Käfer durch die dünne Rindenschicht nach draußen. Erwachsene Tiere sind bis August zu beobachten.

Heldböcke sind sehr ortstreu und wenig mobil. Die Mehrheit der Tiere bleibt an ihrem Brutbaum, ein geringerer Teil, nach Untersuchungen 1/3 der Tiere, sucht andere Bäume auf, jedoch stets in unmittelbarer Nähe zum Brutbaum. Speziell für den Heldbock sind noch keine maximalen Entfernungen bekannt.

Die Hauptaktivitätsphase liegt in der Nacht, vorausgesetzt die Temperaturen erreichen mehr als 18°C. In Phasen kühler oder niederschlagsreicher Witterung kann sich die Hauptaktivitätsphase in den Tag hinein verschieben.

Die Lebensdauer der erwachsenen Tiere liegt im Durchschnitt unter 40 Tagen.

Verbreitung in Rheinland-Pfalz:

Der Heldbock war früher in Deutschland weit verbreitet, aktuell tritt er nur noch in kleinflächigen inselartigen Arealen in wenigen Brutbäumen auf. Aus Rheinland-Pfalz sind aktuell nur 5 Vorkommen des Heldbocks bekannt. Diese befinden sich an der Our, im „Urwald“ von Taben an der Saar, im Bienwald und im Oberrhein-Tiefland.

Gefährdungen:

Wegen seiner Ortstreue und Spezialisierung auf solitärartige alte Eichen hat der Heldbock Veränderungen seines Lebensraumes wenig entgegenzusetzen. Der Wandel in der Nutzung unserer Wälder sowie die Aufgabe der Hudewaldwirtschaft seit Mitte des letzten Jahrhunderts haben wohl stetig zu einer Veränderung der kleinstandörtlichen Verhältnisse um die potentiellen Bruthabitate des Heldbocks geführt. Dies erklärt die heutige sehr starke Gefährdung. Eichen, die in geschlossenen Beständen stehen, kommen für den Heldbock als geeignete Brutbäume nicht in Frage. So könnten sich in Wirtschaftswäldern potentielle Bruthabitate heute in aller Regel nur in den äußeren, sonnenexponierten Waldrandbereichen entwickeln.

Viele Hartholzauenwälder gingen vor allem bis in die 80er Jahre des vergangenen Jahrhunderts durch Fließgewässerregulierungen verloren.

Besonders geeignete Lebensräume findet der Heldbock auch in kränkelnden Bäumen von Alleen und Parkanlagen sowie in einzeln stehenden Eichen. Dort besteht ein besonders hohes Risiko des Habitatverlustes durch Baumaßnahmen und insbesondere auch durch Maßnahmen der Verkehrssicherungspflicht.

Der Heldbock wird seinen Wirtsbaum durch den anhaltenden Verbrauch lebender Baumsubstanz zwar sehr langsam aber dennoch unaufhaltsam zum Absterben bringen. Der Einzelbaum ist ein temporäres Habitat. Allein diese Tatsache kann zu einem lokalen Aussterben führen, wenn keine weiteren besiedelbaren Habitate im nahen Umfeld vorhanden sind.

Schutzmaßnahmen:

Wegen der Standorttreue des Heldbocks und seines wohl sehr geringen Ausbreitungsvermögens müssen die wenigen bekannten Vorkommen konsequent gefördert werden.

Insbesondere in der Nähe bekannter Heldbockpopulationen sollten einzeln stehende alte Eichen oder einzelne Starkeichen in lichten Wäldern, Parks, Alleen sowie in Hartholz-Flussauenwäldern erhalten und dauerhaft frei gehalten werden. Besonders günstig sind im Kronenbereich geschädigte, besonnte Stämme von 2 bis 7 Metern Umfang. Besiedelte Bäume müssen gesichert und gegebenenfalls freigestellt werden. Der Abstand zwischen geeigneten Eichenbeständen sollte möglichst klein sein.

Wegen der Habitatpräferenz für solitäre Bäume sind keine größeren Konflikte mit der Forstwirtschaft hinsichtlich Waldschäden durch Heldbockfraß zu erwarten, allerdings ist zu beachten, dass kränkelnde, das heißt noch lebende Eichen auch von Interesse für aggressivere Arten wie zum Beispiel den Eichen-Prachtkäfer (Agrilus biguttatus) sein können. Diese können sowohl für den Habitatbaum des Heldbocks als auch für die umliegenden Bestände kurzfristig zur Gefahr werden. In Gebieten, in denen beispielsweise dieser Schädling verstärkt auftritt, sollte ein entprechendes Monitoring erfolgen.

Bei Alleen, Parkanlagen und solitären Eichen ergibt sich ein sehr hohes Gefährdungspotential der Habitatbäume durch die Verkehrssicherungspflicht der Eigentümer. Hier müssen im Einzelfall alle vertretbaren Sicherungsmaßnahmen des Baumes unter besonderer Berücksichtigung der Seltenheit der Art sorgfältig gegeneinander abgewogen werden.

Sollte aus Gründen der Verkehrssicherungspflicht die Entnahme besiedelter Bäume unumgänglich sein, wäre als letzte Lösung die Umsiedlung möglich, eine intensive und schwierige Lösung, die aber erfolgreich durchgeführt werden kann. Bei lokaler Isolation einer Subpopulation und fehlendem Nachschub an Alteichen kann diese Maßnahme zum Populationserhalt beitragen.

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Stand: 06.02.2014