1084 - Eremit (Osmoderma eremita) | FFH-Arten in RLP

Steckbrief zur Art 1084 der FFH-Richtlinie

Eremit (Osmoderma eremita)

Gruppe:

Käfer

Merkmale:

Der etwa 23 bis 38 mm große Eremit oder Juchtenkäfer, ein Blatthornkäfer aus der Familie der Rosenkäfer ist braun-schwarz gefärbt mit schwach metallischem Glanz. Die manchmal punktierten Flügeldecken tragen eine kräftige Schulterbeule. Die Geschlechter sind zu unterscheiden, allerdings ist der Geschlechtsdimorphismus für ungeübte Beobachter weniger auffällig. Männchen emitieren ein Pheromon, welches streng nach Juchtenleder beziehungsweise Aprikosen riecht, zur Anlockung von Weibchen. Im Umfeld der Brutbäume kann dieser  Geruch zeitweise (Juli/August) wahrnehmbar sein.

Lebensraum:

Die bis zu 7,5 cm langen Larven entwickeln sich im Mulm alter, hohler, aufrecht stehender Laubbäume. Eichen, Linden, alte Kopfweiden, Buchen und verschiedene Obstbäume werden bevorzugt. Esche, Kastanie, Walnuss und viele fremdländische Gehölze werden aber ebenfalls besiedelt. Als Brutbäume braucht der Eremit solitäre Einzelbäume an Waldrändern, auf Lichtungen, in Parkanlagen und an Alleen. Besonders geeignete Lebensräume sind lichte Wälder oder (beweidete) Hutewälder mit alten, dicken Baumstämmen.

Der Eremit befällt keine ganz gesunden Bäume, er ist also kein Primärbesiedler, der sein Brutsubstrat selbst mit erzeugt. Er besiedelt bevorzugt alte Einzelbäume, die bereits große, mit feuchtem Mulm gefüllte Höhlen aufweisen.

Untersuchungen aus Schweden zeigen, dass sich für diesen Blatthornkäfer ideale Höhlen in Eichen erst ab einem Baumalter von 150 bis 200 Jahren entwickeln. Andere Baumarten wie Weiden oder Pappeln benötigen hierfür weniger Zeit. In Brusthöhe haben solche Bäume einen Durchmesser von etwa 1 Meter. Aber auch in Eichen von nur 22 cm und Buchen von 25 cm Durchmesser wurden Eremiten gefunden.

Damit sich in den Baumhöhlen ein ausgeglichenes Feuchtigkeitsklima und konstant warme Entwicklungstemperaturen einstellen können, müssen mehre Dutzend Liter bis mehrere Kubikmeter Mulm in einer Höhle enthalten sein. Studien zufolge sind ein bestimmter Zersetzungsgrad des Holzmulms in den Brutbäumen und eine sich darauf entwickelnde besondere Pilzflora (schwarzer Mulm) bestimmende Faktoren für das Vorkommen des Eremiten. Bis ein Brutsubstrat diesen Entwicklungszustand erreicht, können Jahrzehnte vergehen.

Eine ausreichende Besonnung der Stämme ist ein besonders wichtiger ökologischer Faktor, denn dadurch entstehen die für die Entwicklung der Eremiten-Larven notwendigen Wärme- und Feuchtigkeitsverhältnisse in den Baumhöhlen.

Biologie und Ökologie:

Die erwachsenen Käfer leben mit den Larven gemeinsam in den Brutbäumen. Dort ernähren sich die Larven von Holzmulm. Imagines fressen nur in Ausnahmefällen, sie können austretende Baumsäfte oder ersatzweise Säfte reifer Früchte aufnehmen.

Untersuchungen zufolge sind die Käfer sehr ortstreu. Die Tiere halten sich meist im Mulm, am Stamm ihres Brutbaums oder zumindest in dessen Nähe auf. Nur ca. 15 % der Tiere entfernen sich vom Mutterbaum. Ihre Dispersion beschränkt sich in der Regel auf weniger als 200 Meter. Ausnahmen zur Suche ganz neuer Habitate werden vermutet, doch das Wissen über die möglichen Flugleistungen ist noch begrenzt.

Nur an heißen Tagen über 25°C können fliegende Tiere beobachtet werden. Aktive Käfer kann man an mehreren aufeinanderfolgenden Sommerabenden mit deutlich über 20°C ab dem späten Nachmittag bis in die Nacht hinein antreffen. Lichtanflüge können vorkommen, haben sich aber als Nachweismethode nicht bewährt.

Die Hauptaktivitätsphase der Imagines fällt auf Juli und August. In diesen Monaten findet auch die Paarung statt. Die Weibchen produzieren nur etwa 20 bis 80 Eier, die in den Mulm dicht an das Kernholz des Baumes gelegt werden. Die Elternkäfer sterben im gleichen Jahr, Weibchen leben bis zu drei Monaten, Männchen nur wenige Wochen. Nach drei Wochen schlüpfen die Larven. Die reguläre Entwicklungszeit bis zum fertigen Käfer dauert 3 bis 4 Jahre. Im September/Oktober baut sich die Larve dann eine Puppenwiege, in der sie als Vorpuppe überwintert. Sie verpuppt sich jedoch erst im darauf folgenden Frühjahr. Der fertige Käfer erscheint im Juni/Juli an der Oberfläche des Mulms.

Verbreitung in Rheinland-Pfalz:

Der Eremit ist eine rein europäische Art. Deutschland liegt im Verbreitungszentrum. Aktuelle Vorkommen sind aus fast allen Bundesländern bekannt. Allerdings nimmt die Häufigkeit nach Westen hin ab. Noch vor 100 Jahren war der Eremit eine häufige Art. Heute kommt er nach gegenwärtigem Kenntnisstand in Rheinland-Pfalz nur an drei Fundorten vor, bei Eppenbrunn im Pfälzerwald, im Bienwald und im "Urwald" bei Taben-Rodt an der Saar.

Gefährdungen:

Die größte Gefahr für den Eremiten ging und geht von der Vernichtung sehr alter Laubbaumbestände in Wald- und Auwaldbereichen, aber auch Alleen als Lebensräumen der Art aus sowie der Aufgabe historischer Nutzungsformen wie Hutewaldwirtschaft oder Korbflechterei. Auch der Verlust alter Streuobstwiesen, alter Bäume in Waldrandlagen, an Alleen oder in Parkanlagen, beispielsweise im Rahmen von Verkehrssicherungsmaßnahmen, führt zum Verschwinden geeigneter Lebensräume. Da die Käfer anscheinend keine größeren Strecken zur Neubesiedlung geeigneter Bäume überwinden können, ist die Gefahr des Aussterbens lokaler Populationen infolge Isolation groß.

Schutzmaßnahmen:

Vom Eremiten besetzte Bäume sind nachhaltig zu sichern. Sie werden von vielen Käfergenerationen über lange Zeiträume genutzt. Konkurrenten um Licht, Wasser oder Nährstoffe müssen konsequent vom Brutbaum ferngehalten werden. Wo die Möglichkeit besteht, ist eine Beweidung vorteilhaft. Wegen der geringen Ausbreitungsfähigkeit des Käfers ist ein ständiges Angebot weiterer, auch nachwachsender Brutbäume in der Umgebung von Vorkommen dieser Art erforderlich.

Entsprechende Waldentwicklungsmaßnahmen können dazu beitragen, dass sich für den Eremiten geeignete Wälder ausbilden, in denen mehrere Bereiche mit jeweils deutlich mehr als 10 geeigneten Bäumen in engerem räumlichen Abstand vorhanden sind. Ranius (s. Literatur) geht nach Untersuchungen in Schweden davon aus, dass mindestens 10 benachbarte Bäume mit Baumhöhlen in einem kleineren Wald (Untersuchungsfläche = 3 km²) vorhanden sein müssen, damit Populationen dauerhaft existieren können. Erst bei dieser Anzahl von Bäumen fand er regelmäßig Käfer in allen Höhlen, während bei kleineren Baumbeständen viele geeignete Höhlen ohne Nachweise von Eremiten blieben.

Die Sicherung der lichten Wälder mit einzeln stehenden Bäumen scheint eine Grundvoraussetzung zum nachhaltigen Erhalt der Eremiten-Populationen zu sein. Um eine Beschattung durch Aufwuchs jüngerer Bäume zu vermeiden, wird eine Beweidung des Waldes empfohlen.

Die Entwicklung neuer lichter Wälder mit Freistellung der älteren Bäume im Umfeld bestehender Eremiten-Vorkommen ist eine wesentliche Voraussetzung für die Besiedlung weiterer Bereiche eines Waldes. Dadurch kann das Aussterberisiko reduziert werden.

Alte Baumgruppen, Baumreihen und Solitärbäume in der Feldflur sowie in Parkanlagen sollten, soweit unter Berücksichtigung der Verkehrssicherungspflicht möglich, erhalten und gefördert werden. Hier sollten baumchirurgische Maßnahmen möglichst unterbleiben.

Die Neupflanzung von Kopfweiden kann eine kurzfristige Maßnahme zur Überlebenssicherung sein, die Vernetzung isolierter Populationen durch Schaffung weiträumiger Strukturen wie zum Beispiel die Wiederherstellung von Auwäldern dient dem langfristigen Schutz.

Literatur:

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Stand: 06.02.2014